Vielleicht wird da einfach falsch gruppiert: oft wird im Forum "alt" "ebay" "klapprig" "Flohmarkt" "Dachoden" nahezu synonym benutzt, im Gegensatz zu "neu" "modern" "leichtgängig" "funktional".
Zu oft wird vergessen, dass viele dieser alten Werkzeuge nicht für ein Hobby gebaut wurden, sondern um damit viel gutes Garn für den Haushalt herzustellen!
Es gab in der Geschichte nur wenige Epochen, die es erlaubt hätten, ein Spinnrad nur zu Dekozwecken zu produzieren. Wer es sich erlauben konnte, liess sich sein Rad mehr oder weniger aufwendig gestalten, aber immer waren Spinnräder kleine funktionale Maschinen, deren genial einfaches Arbeitsprinzip auch heute noch - automatisiert und verfeinert - in der industriellen Produktion verwendet wird. (Vorsicht:

- Entschuldigung, den werde ich manchmal nicht los, ignoriert den Vogel einfach

)
Ein gut funktionierendes Rad behandle ich mit dem Respekt, den ich vor dem Handwerker empfinde, der es gefertigt hat, egal, ob das gestern oder vor dreihundert Jahren war. Bei einem alten Rad kommt dazu noch die Achtung vor dem Atem des Durchlebten, der ihm anhaftet. Beides wird sich wohl kaum im Spinnergebnis ablesen lassen, erhöht aber mein Wohlbefinden gegenüber dem "Mitbewohner", da mein Radl ja nicht isoliert in einer Werkstatt, sondern im Wohnzimmer steht

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Ich würde mir keinen Schrott kaufen, egal von wem, und egal, wie billig. Es macht in meinen Augen auch keinen Sinn, ein Vermögen an Geld und Zeit in ein Rad zu stecken, dass nie gut war, oder auch in eines, das "seine Milch gegeben hat", sich also abgelaufen hat wie ein paar geliebte, aber eben jetzt kaputte Schuhe.
Ich bin aber immer wieder beeindruckt, wie leicht sich gute alte Räder restaurieren lassen. Solange niemand da mit Leim und Spaxschrauben dran hantiert hat, gibt es kaum etwas Reparaturfreundlicheres. Das erinnert mich an alte massive Kleiderschränke: man löst vier Holzkeile und hat alle Einzelteile in der Hand, ohne ausgerissene Schraubenlöcher
Wahrscheinlich spinnt jeder lieber an einem qualitativ guten Rad als an einem schlechten. Manchmal führt der Weg zu guter Qualität bei schmalem Budget zu einem hochwertigen alten Rad, auch wenn man dafür vielleicht Einschränkungen in der Vielfalt der Möglichkeiten hinnehmen muss. Wichtig ist, dass das, was das Rad bietet, zu dem passt, was man damit tun möchte.
Vermutlich führt das auch zu der vielzitierten "Herdenbildung" , man probiert aus, was man eigentlich wirklich braucht, und sortiert das Unpassende dann wieder aus. Für mich ist das ein durchaus verständlicher und nachvollziehbarer Prozess, solange er nicht dazu führt, dass eine Menge Geld in gedrechseltes Kaminholz statt in Qualität investiert wird

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Die Alternative, gleich DAS richtige Spinnrad anzuschaffen, ist sicher nicht immer möglich, letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er es sich leisten kann oder will, für ein Kilo selbstgefertigtes Artyarn ein halbes Monatsgehalt für das hierfür optimale Rad auszugeben

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Wenn jemand aber genau das wirklich spinnen möchte, dann habe ich volles Verständnis dafür, wenn er bereit ist, auf genau dieses passende Rad eine Weile zu sparen und auf anderes (einschliesslich dem zehnten Kammzug aus den handgezupften Haaren meiner lästerlichen Zähne

) zu verzichten.
Hab ich schon gesagt, dass ich Euch einen wunderschönen Sonntag mit nicht allzuviel Muttertag-Gedöns wünsche?

Nur solange wir nicht sind, wie wir sein sollen, sind wir etwas Besonderes - wie die Schneeflocke, die noch nicht ganz Wasser ist. (Hebbel)