Zweifädig ohne Schlupf?

Typen, Spinntechniken, Fragen rund ums Spinnrad-Spinnen

Moderator: Claudi

Benutzeravatar
thomas_f
Mehrstufenzwirn
Mehrstufenzwirn
Beiträge: 2776
Registriert: 01.03.2010, 11:09
Land: Deutschland
Postleitzahl: 48653
Wohnort: Coesfeld
Kontaktdaten:

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von thomas_f » 15.04.2011, 21:00

Hm, so ganz verstehe ich das Problem auch nicht (ich meine den Wunsch ohne den sog. Schlupf spinnen zu wollen).
Das ist kein Wunsch!!! Jedenfalls nicht meiner. Mein Wunsch ist, einen Faden mit konstantem Drall zu spinnen. Meine Frage ist bzw. war die, ob es prinzipiell, theoretisch, denkbarerweise möglich wäre, ein zweifädiges Rad zu bauen, das ohne Schlupf auskäme und das trotzdem einen Faden mit einigermaßen konstantem . Das war meine Frage in diesem Thread. Ich war tentativ zu einer Antwort "nein, geht nicht" gekommen. Andere Äußerungen hier und draußen im Netz deuten anderes an (s.o.).

In zweiter Linie frage ich mich, ob das Getriebe von Tom (a) Schlupf und seine hinreichend feine Regulierung zulässt oder (b) ohne Schlupf auskommt, und wenn ja, warum.

Klara, mein E-Spinner hat inzwischen Zahnriemenantrieb :D , aber natürlich nicht an der Spulenbremse ;) . Ich hatte wirklich vor ein paar Wochen überlegt, ob man mit genauer Drehzahlkontrolle zweier Elektromotoren und der genauen Abtastung des Garnpaketdurchmessers per Infrarot-Entfernungsmesser mit einem Mikroprozessor dazwischen das Kunststück des erzwungenen gleichmäßigen Dralls hinbekommen könnte, und bin zu dem Schluss gekommen, dass das zwar wahrscheinlich irgendwie möglich ist, aber mein elektronisches Können und/oder Budget bei weitem übersteigt.

Beste Grüße -- Thomas

sisasarah
Kardenband
Kardenband
Beiträge: 279
Registriert: 13.12.2010, 20:09
Land: Deutschland
Postleitzahl: 24103
Wohnort: Kiel

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von sisasarah » 15.04.2011, 21:48

Also ich habe hier keine wirkliche Antwort ob es geht oder nicht.
Aber trotzdem hat mich eure Diskussion angeregt mir darüber Gedanken zu machen.
Ich denke schon das mit zwei einzelnen passgenauen Fäden man schon ziemlich nah an "ohne Schlupf" spinnen kommt.
Nachdem Thomas seine Gedanken zum E-Spinner hier erläutert hat, kann ich mir schon vorstellen, dass es, wenn es so umsetzbar wäre, schon eine Vereinfachung darstellen würde.
Und jetzt bekomme ich auch Knoten im Hirn :-D
Deine Berechnungen finde ich nachvollziehbar, aber eigentlich ist es doch so, dass der Einzug mit vollerer Spule nachlässt (Weswegen lace-spulen einen dickeren Kern haben) oder bringe ich hier jetzt was durcheinander?
glg
Sarah

Benutzeravatar
shorty
Designergarn
Designergarn
Beiträge: 30170
Registriert: 23.01.2007, 18:03
Land: Deutschland
Postleitzahl: 82441
Wohnort: Oberbayern

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von shorty » 15.04.2011, 21:50

sisasarah hat geschrieben: aber eigentlich ist es doch so, dass der Einzug mit vollerer Spule nachlässt (Weswegen lace-spulen einen dickeren Kern haben) oder bringe ich hier jetzt was durcheinander?
Ist auf alle Fälle richtig :-)
Karin
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

sisasarah
Kardenband
Kardenband
Beiträge: 279
Registriert: 13.12.2010, 20:09
Land: Deutschland
Postleitzahl: 24103
Wohnort: Kiel

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von sisasarah » 15.04.2011, 21:53

Ich weiß jetzt nicht woran es liegt dass er nachlässt, aber könnte das nicht den fehlenden Drall sozusagen ausgleichen?
(Meine verwirrten Gedanken dazu)
glg
Sarah

Benutzeravatar
Sephrenia
Mehrfachzwirn
Mehrfachzwirn
Beiträge: 1636
Registriert: 09.08.2009, 22:24
Land: Deutschland
Postleitzahl: 29640
Wohnort: Lüneburger Heide

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von Sephrenia » 16.04.2011, 09:58

Hallo Thomas,
ich verstehe grundsätzlich noch nicht so ganz die zweifädigen Zwischengetriebe, die Tom Walther da gerade ausgetüftelt hat. Normalerweise hat man beim zweifädigen Antrieb ja tatsächlich nur einen Antriebsfaden, der als Acht gelegt ist, was dazu führt, dass sich die Spannung der beiden "Antriebsriemenhälften" auf Flügel- und Spulenwirtel immer automatisch aneinander angleicht. In Verbindung mit einem verstellbaren Abstand von Schwungrad zu Spinnkopf lässt sich der Schlupf also ganz bequem regeln.
Bei Toms Konstruktion hingegen hat man
a) zwei getrennte Riemen ( die von der Länge dann ganz exakt aufeinander abgestimmt sein müssten)
b) zumindest bei der 1. Variante keine Möglichkeit, die Riemenspannung zu verstellen.
Demnach müsste man dann für jede Wirtelgröße einen eigenen Riemen haben. Die PUR-Riemen sind zwar elastisch, würden aber unter Ausnutzung der Elastizität so stramm sitzen, dass eben kein Schlupf mehr möglich ist. Eine feine Einstellung des Einzugs ist so meines Erachtens nicht machbar.
Freilich kann man theoretisch auch ohne Schlupf spinnen, wenn das Verhältnis von Flügel- zu Spulenwirtel genau passt. Aber gerade beim Handspinnen von nicht perfekt aufbereitetem Material muss man den Faden auch mal zurückhalten können, um Knötchen rauszupulen, zu dicke Stellen nochmal dünner auszuziehen etc., sprich man arbeitet eben nicht rein mechanisch nur immer auf das Einzugsloch zu. Ohne Schlupf und damit ohne die Möglichkeit, den Faden zurückzuhalten während man weiter tritt, müsste man dann jedesmal anhalten, da wäre auf die Dauer sicherlich sehr nervig.
Schlupf ist übrigens auch mit einem PUR-Riemen möglich, wenn er locker genug sitzt!

LG Kiki

Arachne
Kammzug
Kammzug
Beiträge: 334
Registriert: 29.08.2009, 18:57
Land: Deutschland
Postleitzahl: 29614

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von Arachne » 16.04.2011, 16:35

Ah, ich glaube, es gibt 2 unterschiedliche Definitionen von Schlupf. Ich meinte den, der beim sog. doppelfädigen Antrieb auftreten muß, weil bei jeder Umdrehung sich der Faden den unterschiedlichen Wirteldurchmessern anpassen muß. Ohne den Schlupf geht es nicht, solange man einen einzigen Faden nimmt, der sich kreuzt. Was ich nicht meinte ist ein Schleifen des Fadens auf dem Holz der Rillen. z.T. kann man das durch Höherstellen der Antriebsspannung ausschalten, außerdem sind ja extra die Rillen entsprechend gestaltet: die Rille vom größeren Flügelwirtel, V-förmig, damit der Antriebsfaden sich da richtig fest-kantet (er sollte etwas dicker sein als das "V", so daß er reingequetscht wird) und eben nicht schlupfen kann, die Rille vom Spulenwirtel U-förmig, um den o.g. Schlupf zu ermöglichen. Alte Spinnradmacher haben die Innenseite der Wirtel auch nie großartig geglättet. Wenn moderne das machen und sogar ggf. polieren o.ä. ist das ein Konstruktionsfehler.

Sigrid
Geschichte und Bedeutung des Spinnrads in Europa, Shaker Media Verlag, gebunde Ausgabe
http://spinnrad.jimdo.com/

Klara
Boucle
Boucle
Beiträge: 4767
Registriert: 15.09.2006, 19:00
Land: Frankreich
Postleitzahl: 44670
Wohnort: Frankreich
Kontaktdaten:

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von Klara » 16.04.2011, 20:42

Wikipedia definiert Schlupf so: Schlupf (von „schlüpfen”) bezeichnet im Allgemeinen das Abweichen der Geschwindigkeiten miteinander in Reibkontakt stehender mechanischer Elemente oder Fluide unter tangentialer Belastung - http://de.wikipedia.org/wiki/Schlupf . Also das "Schleifen des Fadens auf dem Holz" (oder des Reifens auf dem Asphalt - siehe Antischlupfregelung).

Fürs Anspassen der einzelnen, langen Antriebsschnur an den Wirteldurchmesser brauchen wir ein anderes Wort - wenn wir davon überhaupt reden wollen (wobei's gut sein kann, dass da auch Schlupf im obigen Sinne mitspielt... Schlupfloser, d. h. verlustfreier Antrieb, ist ja nicht leicht zu realisieren.)

Ciao, Klara

Benutzeravatar
Sephrenia
Mehrfachzwirn
Mehrfachzwirn
Beiträge: 1636
Registriert: 09.08.2009, 22:24
Land: Deutschland
Postleitzahl: 29640
Wohnort: Lüneburger Heide

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von Sephrenia » 16.04.2011, 20:49

Hallo Sigrid, nun hast du mich abgehängt ;) !
Du meinst, dass bei einem traditionellen zweifädigen Rad rein mechanisch Schupf auftreten muss? Ich dachte immer, die Antriebsriemen-Acht wäre deshalb so clever, weil sich die Spannung des Antriebsriemens sich dadurch gleichmäßig auf beide Wirtel verteilt, so das beide Wirtel gleichmäßig angetrieben werden können, auch ohne das da irgendwas schlupft. Nach meinem Verständnis sind die unterschiedlich geformten Rillen in Flügel- und Spulenwirtel dazu da, ein bewußt herbeigeführtes Durchrutschen der Spule zu ermöglichen, oder habe ich jetzt einen Knoten im Hirn :?:

LG Kiki <-- nach 4 1/2 Stunden Generalprobe heute schon etwas gaga

Benutzeravatar
thomas_f
Mehrstufenzwirn
Mehrstufenzwirn
Beiträge: 2776
Registriert: 01.03.2010, 11:09
Land: Deutschland
Postleitzahl: 48653
Wohnort: Coesfeld
Kontaktdaten:

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von thomas_f » 18.04.2011, 09:54

Deine Berechnungen finde ich nachvollziehbar, aber eigentlich ist es doch so, dass der Einzug mit vollerer Spule nachlässt (Weswegen lace-spulen einen dickeren Kern haben) oder bringe ich hier jetzt was durcheinander?
Eindeutig Jein ;) . Was verstehen wir unter Einzug? Das kann einerseits die Geschwindigkeit sein, mit der der Faden durchs Einzugsloch gezogen wird oder andererseits die Kraft, mit der das Rad am Faden zieht. Die Einzugskraft ändert sich beim doppelfädigen Rad durch die Fadenspannung, die du einstellst -- je strammer, desto weniger rutscht das Band über den/die Wirtel, und desto ungnädiger und kräftiger zieht es am Faden. Und dazu kommt: je größer der Spulendurchmesser bzw. der des Garnpakets, desto schwächer wird diese Einzugskraft (Hebelgesetze). Deshalb stellt man die Bremse nach (einfädig) bzw. erhöht die Riemenspannung (zweifädig), wenn das Garnpaket auf der Spule größer wird, um die Einzugskraft nachzustellen.

Die Einzugsgeschwindigkeit besagt, wieviele cm Garn pro Flügelumdrehung auf die Spule gewickelt werden. Sie bestimmt also direkt den Drall des Garns. Sie wird durch mehrere Parameter bestimmt:

- Wie kräftig zieht das Rad ein und wie kräftig halte ich das Garn zurück
- wie lange halte ich das Garn zurück im Vergleich zur Zeit, die ich es reinlaufen lasse

Beim (gedachten) zweifädigen Rad ohne Schlupf fällt das erste Parameterpaar weg: Der Einzug ist "quasi unendlich stark" und wenn ich das Garn festhielte, würde es reißen oder das Rad fiele um oder meine Finger würden mit eingezogen oder ich könnte nicht mehr dagegenantreten ... Auch das zweite Parameterpaar fällt damit weg, denn ich kann das Garn garnicht festhalten; es wird kontinuierlich eingezogen. Die Einzugsgeschwindigkeit pro Flügelumdrehung wird ganz allein durch das Rad bestimmt, nämlich durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Spule und Flügel.

Was passiert ohne Schlupf, wenn die Spule bzw. das Garnpaket doppelt so dick wie zu Anfang ist? Da wir keinen Schlupf haben, bleibt der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Spule und Flügel genau derselbe wie vorher, nur dass nun die Spule doppelt so viel Garn pro Flügelumdrehung aufwickelt, sich die Einzugsgeschwindigkeit also verdoppelt und der resultierende Drall halbiert. Da ich ohne Schlupf den Drall nicht mehr per Hand und Augenmaß regeln kann, müsste ich das Verhältnis zwischen Spulen- und Flügeldrehzahl nun durch verschiedene Übersetzungen sehr fein nachjustieren können.

@Sephrenia: Kiki, du hast recht. Die unterschiedlichen Wirteldurchmesser bewirken für sich allein noch keinen Schlupf auf dem Schwungrad. Nein Sigrid, wirklich nicht ;) das gleicht sich alles aus, solange Spule und Flügel nicht durch den Faden aneinandergekoppelt sind.

Schlüpfrig wirds erst, wenn ich durch das Zurückhalten des Fadens das Einziehen unterbinde und "erzwinge", dass Spule und Flügel sich gleich schnell drehen. Dann muss die Schnur irgendwo rutschen, idealerweise hauptsächlich auf dem Spulenwirtel mit der U-förmigen Rille, so dass die Flügelgeschwindigkeit konstant der Trittfrequenz folgt.

(Dinge wie Trägheit, Lagerreibung, Luftwiderstand und die Verformung der Antriebsschnur lassen wir mal außen vor, gell?)

Beste Grüße -- Thomas

Benutzeravatar
thomas_f
Mehrstufenzwirn
Mehrstufenzwirn
Beiträge: 2776
Registriert: 01.03.2010, 11:09
Land: Deutschland
Postleitzahl: 48653
Wohnort: Coesfeld
Kontaktdaten:

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von thomas_f » 18.04.2011, 13:41

Schlupfloser, d. h. verlustfreier Antrieb, ist ja nicht leicht zu realisieren.
Vorsicht, das ist nicht dasselbe! Am Fahrrad habe ich bei rostiger Kette zwar reichlich Kraftverlust, aber keinen Drehzahlverlust und keinen Schlupf. Analog ein schlecht geschmiertes/gelagertes doppelfädiges Rad mit stramm gespannter PUR-Schnur: Kein (kaum) Schlupf, aber wegen des Kraftverlusts an den Lagern auch kaum zu treten.

Beste Grüße -- Thomas

Benutzeravatar
thomas_f
Mehrstufenzwirn
Mehrstufenzwirn
Beiträge: 2776
Registriert: 01.03.2010, 11:09
Land: Deutschland
Postleitzahl: 48653
Wohnort: Coesfeld
Kontaktdaten:

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von thomas_f » 18.04.2011, 14:04

Es wäre ja einiges denkbar, wie Tom sein Getriebe schlupffähig und an verschiedene Wirtelgrößen anpassbar machen könnte. Es wäre aufwändiger als beim doppelfädigen Rad mit dem einen langen Faden, das stimmt. Am Flügeltreibriemen könnte man sich einen federnd aufgehängten Spann"wirtel" ähnlich dem Kettenspanner beim Fahrrad vorstellen, während der Schlupf im Spulenantrieb evtl. ähnlich wie beim doppelfädigen Rad durch feines Verschieben der ganzen Getriebeeinheit eingestellt werden könnte. Man könnte auch für den Antrieb von Spule und Flügel unterschiedliches Material nehmen, bspw. Baumwolle für die Spule, PUR für den Flügel. Schacht hat am Ladybug eine einstellbare Spannrolle.
Aber gerade beim Handspinnen von nicht perfekt aufbereitetem Material muss man den Faden auch mal zurückhalten können, um Knötchen rauszupulen, zu dicke Stellen nochmal dünner auszuziehen etc., sprich man arbeitet eben nicht rein mechanisch nur immer auf das Einzugsloch zu.
Hmmmm. Das führt dann beim Anfänger gern dazu, dass die Fäden während des Pulens überdrehen und beim Versuch aufzuholen kaum Zeit zum Verdrillen haben. So entsteht nicht gerade ein gleichmäßiger Faden ;) Das Zurückhalten sollte doch eigentlich regelmäßig sein, d.h. dem Faden Zeit geben, den richtigen Drall aufzubauen um ihn dann zum richtigen Zeitpunkt reinlaufen lassen. Wenn diese regelmäßige Zeit zum Puhlen reicht, OK, wenn nicht, muss man (idealerweise) anhalten.

Meine Vorstellung vom Spinnen mit "erzwungenem Einzug" wäre, dass sich (im kurzen Auszug) die Hände langsam vom Spinnrad weg bewegen um sich bei kleineren Problemen wieder aufs Einzugsloch zubewegen und sich dabei eine kleine Auszugspause verschaffen. (Bei größeren Puhlaktionen müsste dann auch eine Pause eingelegt werden.) Ob so eine Technik überhaupt praktikabel oder irgendwie sinnvoll wäre, weiß ich halt nicht.

Beste Grüße -- Thomas

kaha
Vorgarn
Vorgarn
Beiträge: 446
Registriert: 14.03.2009, 11:37
Land: Deutschland
Postleitzahl: 67800

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von kaha » 19.04.2011, 19:35

thomas_f hat geschrieben:
Beim zweifädigen Spinnen kann man auch faul sein und die Einzieherei dem Spinnrad überlasse und nur noch die Fäden dirigieren. Das kann auch recht angenehm sein.
Hast mich durchschaut ;) Es geht aber halt eben doch nicht, wenn man gleichmäßigen Drall vom einen Ende des Fadens (leere Spule) bis zum anderen (Spule voll) möchte, oder?
Richtig.
Vllt zur Entwirrung mit dem Schlupf:
Ich find's recht anschaulich sich zu vergegenwärtigen, dass pro Umdrehung eine gewisse Strecke x der Faser eingezogen wird und dabei eine gewisse Anzahl y Drallumdrehungen bekommt.
Da aber der Spulenduchmesser wächst durch das aufgewickelte Garn, wird x ständig größer, während y gleich bleibt.
Kann man jetzt nicht per Hand (Festhalten der Faser/Schlupf) x wieder verkleinern, hat man einen immer weniger verdrallten Faden, da das Verhältnis von x:y ständig größer wird.
Wenn Du Dir was ausdenkst, wie das aufgewickelte Garn gleichzeitig auch y wieder erhöht (viele tolle, kleine Hebel und Riemen vllt ;) ), hast Du gewonnen. :)

Wenn es um die Faulheit geht, würde ich ein spulengebremstes Rad und "vorverzogene" ;) Faser vorschlagen. Dann musst Du nur noch gleich viel Faser "abmessen" und Tritte zählen, bevor Du die Faser in einem Flutsch aufwickeln lässt. :-D

kaha
Vorgarn
Vorgarn
Beiträge: 446
Registriert: 14.03.2009, 11:37
Land: Deutschland
Postleitzahl: 67800

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von kaha » 19.04.2011, 19:39

Wie geht das denn eigentlich bei ner Ringspindelmaschine?

wollwolff
Dochtgarn
Dochtgarn
Beiträge: 798
Registriert: 19.04.2011, 10:48
Land: Deutschland
Postleitzahl: 32602
Wohnort: Vlotho
Kontaktdaten:

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von wollwolff » 19.04.2011, 20:17

Hallo Thomas!
Zu diesem Thema kann ich sagen, daß der abgebildete Riementrieb praktisch schlupflos fährt, so wie Du anmerktest.
Verstärkt durch die Tatsache der eingesetzten grünen Treibriemen aus Pur, die elastisch und gummiartig mit rauher Oberfläche arbeiten. Die Rille versieht eine Führungsaufgabe mit geringem verstärkendem Haftungseffekt.
Man könnte es fast mit einem "Kettentrieb" vergleichen, wo absolut nichts mehr rutscht( schlupft).

Ein Nachspannen oder Lockern, wie bei den alten 2-fädigen Klassikern mit dem Cordfaden, bringt in dem Falle nicht den erwünschten Effekt, da der Elastofaktor hier keinen Schlupf zuläßt.

Gehen wir mal zurück. Am Anfang war die Überlegung 2 Drehzahlen für Wirtel und Flügel zu erzeugen, ergo baute man das große Schwungrad mit breiter oder 2. Rille und verpaßte dem Spinnkopf 2 gering unterschiedliche Rillscheiben, fertig war die Differenz. Dann merkte Spinnhandwerker/in schnell, daß ein Faktor zum Toleranzausgleich zur Füllmenge der Spule und zur Faserfestigkeit fehlt, Fehlerhaftigkeit/ Gleichmäßigtkeit des gesponnenen Garnes fehlt und (er)fand den Riemenschlupf durch Lockern der Riemenspannung.

Da der Drehwiderstand der Spule mit Füllgrad zunimmt, muß nachreguliert werden, was auch mit dem Schlupf gelang.

Anfangs waren 2-fädigeTriebe wirklich aus 2 Riemen. Man änderte die Spannung und oh Schreck, mit jeder Drehung des Spanners,neue ungewünschte Reaktionen ins Negative. Das war erst der Ansatz hier mühsam nachzusetzen und unterschiedliche Riemen, andere unterschiedliche Rillwinkel in der Riemenscheibe einzusetzen.
Selbst Leonardo da Vinci hatte 1482 bei seiner Spinnmaschine mit automatischer Aufspulung 2 sep. Riemen. 1 mal für den Spulentrieb recht starr und 1 mal für den Flügeltrieb mit einer gewissen Elastizität, da der Flügel hin und her oszillierte.

Erst die " Erfindung"des gekreuzten Riemens mit 2 fachem Abgriff aus der gelegten Acht (8), vermutlich Biedermeier
18./19. Jahrhundert, brachte die erwünschte Ruhe und Wiederholgenauigkeit in das 2- fädige System, aber mit dem geknotetem Cordfaden.

Gruß von Jürgen

Benutzeravatar
Eurasierwolle
Navajozwirn
Navajozwirn
Beiträge: 1479
Registriert: 01.09.2010, 14:19
Land: Deutschland
Postleitzahl: 25486
Wohnort: Schleswig-Holstein

Re: Zweifädig ohne Schlupf?

Beitrag von Eurasierwolle » 19.04.2011, 20:29

Wow, was für ein geballtes Wissen auf zwei Beinen :eek: - und auch noch so anschaulich geschrieben! Ich bin schwer beeindruckt, davon brauche ich meeeeehr!!!

Wissbegierige Grüße
Cornelia
Mehr über unseren Eurasier siehe
Meinen noch ganz kleiner Blog: http://eurasierwolle.blogspot.de/ - und auch bei Ravelry geister ich als "Eurasierwolle" herum!

Antworten

Zurück zu „Rund ums Spinnrad“