Zwergziegenalarm

Damit alle Handarbeitsgeräte richtig funktionieren ...

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thomas_f
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Zwergziegenalarm

Beitrag von thomas_f » 14.09.2012, 16:23

Hallo zusammen,

thaqs hatte hier im Flohmarkt zwei Spinnräder gegen Porto zu verschenken, eins davon ist gestern hier bei mir angekommen. Zusammen mit einem riesigen Berg wunderschöner, dunkelbrauner Bergschaf-Rohwolle als "Polsterung" :eek: :] DANKE!

Erstmal hatte ich denselben Effekt wie Kattugla: Das Rädchen ist ja soo winzig! Schaut her:

Bild

Das Schwungrad hat einen Durchmesser von gerade mal 35cm. Gewohnt bin ich 60 cm ("Alte Schwedin", dahinter). Bei genauerem Ansehen kamen dann ein paar schöne und ein paar weniger schöne Seiten des prospektiven Herdenzuwachses ans Licht:

:gut: das Schwungrad ist zwar klein, läuft aber sehr leicht und ohne zu eiern. Knecht und Tritt sind ebenfalls zierlich, leicht und geräuschlos (Lederscharniere, Bindfadenanbindung am Knechtfuß). Flügelwirtel und Spule sind schön gearbeitet, nämlich so, dass die Spule in den Flügelwirtel ragt, das sieht einerseits hübsch aus (finde ich) und andererseits liegen dadurch die beiden Schlaufen der Antriebsschnur näher beisammen und sie oder irgendwelche Flusen können nicht dazwischenrutschen.

:schlecht: Das Rad muss irgendwann in seinem Leben mal als Holzwurmfarm gedient haben. :( An ein paar Stellen ist zwischen den Wurmlöchern nur noch sehr wenig Holz, und das morsch. Z.B. hier an einer Speiche (man kann es sich wie einen etwas spröden, trockenen Schwamm vorstellen):

Bild

Ähnliche Vorgänge hatten auch ein paar Zapfen ruiniert: die Streben unter der Hauptplatte, das rechte hintere Bein und der vordere Flügelhalter waren betroffen. An diesen Stellen war das Rad schonmal vorher gebrochen und mit gutem Willen, viel Hoffnung und etwas Weißleim geklebt worden. Leider kann Weißleim keine Löcher überbrücken und es ist auch beileibe nicht einfach, die Brüche vernünftig zu fügen und zu pressen. Jedenfalls waren zwei dieser Stellen erneut gebrochen und die anderen wackelig. Nachdem die Streben und das Bein rausgenommen waren, konnte man sehen, dass es nichts bringen würde, die stumpf auf morsch nochmal mit Weißleim zu verleimen. Also mit dem scharfen Klauenmesser :O die Leimreste und einiges an Holz bzw. Zunder abgeschnitzt und rausgepopelt, bis sich alles annähernd in die Originalposition setzen ließ. Zur Verstärkung gabs noch eine Spax-Schraube 4x40 von unten durchs Bein in die Hauptplatte und einen Nagel (Kopf abgekniffen) als Schiene im gebrochenen Flügelholm. Das ganze habe ich mit Flüssigholz (2-Komponenten-PU-Kleber bzw. -Spachtel "Ponal Duo") zusammengesetzt. Der vordere Flügelholm ist nun "fest" eingesetzt (wackeln tut das weiche Material immer noch etwas :( ).

Das war 'ne Rosskur, schön geht sicher anders, aber ein neues Spinnrad bauen oder kaufen kann ich vielleicht ein anderes Mal ;) und diese kleine Ziege hätte ich sonst wohl sofort feuerbestatten können. So sehen die Narben jetzt aus:

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Damit ist das Hauptproblem fürs Erste aus der Welt. Was noch zu tun war: Die hölzernen Splinte rausklopfen und -ziehen (keiner von denen war danach noch verwertbar), Führung und Gewinde des Spinnkopf-Verschieberismus etwas reinigen und mit Teelicht einreiben, Flügelachse von verharztem Fett befreien, reichlich frisches Mehrzweckfett an Flügel-, Spulen- und Schwungradlager geben, alles wieder zusammenbauen (eine meiner kleinen Baumarktspindeln hat die neuen Splinte spendiert):

Bild

Die Antriebsschnur ist jetzt aus Küchengarn; ich hätt sie ws. gern noch dünner, mal sehen, was ich noch finde.

Aber nun zur Hauptsache: Es spinnt! Sehr leise, sehr flüssig. Wenn man sich erstmal an das hochfrequente, aber sehr zarte Treten gewöhnt hat. Der Einzug ist sehr zart einstellbar, dabei sehr gleichmäßig, obwohl der Weg des Fadens durchs Einzugsloch und über die Häkchen nicht gerade vertrauenserweckend aussieht. Die Einzugscharakteristik könnte sich durch eine weniger elastische Antriebsschnur noch etwas ändern.

Es spinnt nur hauchdünnes Garn. Für mittlere Stärken ist schon das Einzugsloch zu klein (4,5mm, ich musste mit einer Filznadel von hinten einfädeln, mein Einzughaken war zu "klobig" :) ) und die Spule wohl auch. Garn mit weniger Drall hinzukriegen, muss ich mal bewusst ausprobieren, bei meinen Spinnkünsten gibts immer einen gewissen, ähem, Optimierungsspielraum ;) .

Weiters: Die Spule werde ich nicht so schnell wieder aus- und einbauen, es hat eh nur diese eine und ich habe Haspel und Knäuelwickler. Spulenwechsel wäre vor allem für die Flügelholme zu anstrengend ?( . Ob ich die Oberfläche irgendwie behandeln sollte? Erstmal lieber nicht, da bröselt zu viel auseinander. Beim Spinnen staubts etwas aus den Wurmlöchern und -mehrfamilienwohnhöhlen, das wird hoffentlich mit der Zeit weniger ;)

Ich werde das Zwergziegenkitz am Sonntag mit zum Spinntreffen nehmen und zwei Stündchen bespielen, vielleicht auch mit einer dünneren Schnur; dann sehe ich weiter, was aus ihr wird. Erstmal überrascht es mich sehr positiv, dass man auf so einem Winzling anscheinend doch sinnvoll und recht angenehm produktiv spinnen kann.

Danke thaqs, für das schöne und lehrreiche Geschenk!

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von Claudi » 14.09.2012, 19:04

Oooh Thomas, beim Titel dachte ich zuerst mal an lebendige Zwergziegen... :totlach:

Sie ist aber eine ganz Süße, und bei dir bestimmt gut aufgehoben.
Viel Freude mit ihr!
Ganz
Liebe
Grüßis die Claudi

Mein Blog: Gewollt Wolliges unser Spinngruppenblog: Die Wollverwandler unter dieser Bezeichnung sind wir auch bei Facebook und Ravelry zu finden.

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von schafgarbe » 14.09.2012, 19:43

Super, ein Rad ganz schnell wieder zum Spinnen gebracht!

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von shorty » 14.09.2012, 19:43

Viel Freude mit Deinem Neuzugang.
Karin
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von Sandolino » 15.09.2012, 17:32

die hast Du ja wieder super hingekriegt, toll gemacht :gut:
Ich hab hier auch ein älteres Teil, mal sehen, ob ich das noch irgendwie gängig kriege, bin da nicht so der begnadete Bastler, leider ?(
viele Grüße von Alice und ihren Tieren

http://schafgewollt.blogspot.com/

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von thomas_f » 17.09.2012, 14:07

Gestern habe ich sie ja nun ca. 2 Stunden probegesponnen. Das Treten braucht erstmal einiges an Zehenspitzengefühl, und ein richtig gemütliches Tempo ist natürlich nicht drin. Auf der Handseite läuft das Spinnen dafür wie von alleine. Die hübsche Kleine passt auch gut in den Twingo und ich kann sie problemlos in einer Hand tragen. Fürs nächste Mal bastele ich mir noch einen passenden Einzugshaken (e-Saite von der E-Gitarre o.ä. ;) ).

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von Lana-Lux » 17.09.2012, 14:25

Fesche Goas! ;)
Not OP erstmal geglückt... Schönheitskorrekturen kann man ja noch machen.
Freut mich für dich!

LG Silvia
Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von thomas_f » 18.09.2012, 08:52

Kosmetische Chirurgie ist ja eh nicht so mein Traum ;) . Es lauern halt noch ein paar Stellen, wo das Material durch die Würmer so arg geschwächt ist, dass ein falscher Griff oder ein blödes Hinlegen im Auto das eine oder andere Bestandteil (z.B. die abgebildete weiche Speiche) in Staub und Brösel zerlegen könnten. Aber solange sie spinnt, spinnt sie. Ein Spinnrad für die Vitrine brauche ich eher nicht -- schon mangels Vitrine :D .

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von spulenhalter » 18.09.2012, 09:57

thomas_f hat geschrieben:Kosmetische Chirurgie ist ja eh nicht so mein Traum ;) . Es lauern halt noch ein paar Stellen, wo das Material durch die Würmer so arg geschwächt ist, dass ein falscher Griff oder ein blödes Hinlegen im Auto das eine oder andere Bestandteil (z.B. die abgebildete weiche Speiche) in Staub und Brösel zerlegen könnten. Aber solange sie spinnt, spinnt sie. Ein Spinnrad für die Vitrine brauche ich eher nicht -- schon mangels Vitrine :D .

Beste Grüße -- Thomas
Wenn die kosmetische Chirurgie nicht dein Fall ist, hilft nur die radikale Methode, amputieren und eine passende Prothese einsetzen.
Dann ist die Sicherheit und Stabilität auch wirklich wieder gegeben.

Die kosmetische Chirurgie ist auch nicht mein Fall. Die Wurmlöcher unsichtbar machen geht auch, aber in der Zeit ist oft ein neues Teil schon fertig und dann hält es wirklich wieder.
Gruß Mathias

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Unmögliches erledigen wir sofort. Wunder, die dauern etwas länger

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von schafgarbe » 18.09.2012, 11:10

Für die ad hoc Unfallhilfe: kennst Du diese Pattex 2 Komponentenstange: man schneidet ein Stück in der benötigten Größe ab, knetet es durch, bis die Farbe homogen ist und massiert es dann an die erforderliche Stelle. Hält wie verrückt und man kann es wundervoll modellieren, wie Knete. Wenn man es nach dem Aushärten übermalt, dann ist von der Stelle nichts mehr zu sehen.

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von thomas_f » 18.09.2012, 11:24

Ja, das kenne ich, habe ich aber erst einmal benutzt, vor mehreren Jahren. Die abgebildete Speiche und der vordere Flügellagerholm sind selbst schon recht weich und knetbar :fear: ; wenn ich da dran rumdrücke bröseln sie mir weg. Die meisten Teile könnte ich selbst neu wiederherstellen, wenn es unumgänglich wird. Im Moment spinnt sie, und das ist das, was sie soll; mehr eigentlich nicht.

(Wenn ich die Zeit hätte, ein ganzes oder halbes Spinnrad zu bauen, würde ich endlich meinen eSpinner 2.0 mit Zwirnomat bauen und programmieren.)

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von spulenhalter » 18.09.2012, 11:58

thomas_f hat geschrieben:...
(Wenn ich die Zeit hätte, ein ganzes oder halbes Spinnrad zu bauen, würde ich endlich meinen eSpinner 2.0 mit Zwirnomat bauen und programmieren.)

Beste Grüße -- Thomas
Da können wir uns die Hand reichen.

Meine Drechselbank ist tief vergraben im Holzschuppen, gleich daneben ruht die Bandsäge.
Ich hoffe aber, dass ich im Herbst wenigsten einige Stunden noch drechseln kann, wenigstens einige kleine Stücke.
Gruß Mathias

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Re: Zwergziegenalarm

Beitrag von Siebenstern » 03.10.2012, 10:10

Du könntest auch versuchen das Teil in Leinöl zu marinieren. Ein paar Tage einlegen oder täglich mehrmals damit einpinseln bis nix mehr einzieht und dann aushärten lassen. Das aushärten dauert zwar lange wirkt aber Wunder bei weichem Holz.

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