Vorgarn ziehen/spinnen
Moderator: Claudi
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Vorgarn ziehen/spinnen
Hat jemand von euch schon mit der Handspindel + Vorgarn gearbeitet? Man kann das ja auch fertig kaufen, aber mein Freund und ich haben es am Wochenende so versucht, dass der eine das Vorgarn auszieht und locker um den Finger verdrillt, sodass es hält, und der andere spinnt. Man sieht auf diversen Abbildungen (z.B. auch aus dem alten Ägypten), dass das so gemacht wurde, und wir würden es auch gern auf Handwerksvorführungen zeigen.
Es hat soweit ganz gut geklappt, wir haben kardierte, aber ungewaschene Milchschaf-Merino-Wolle genommen, die noch sehr viel Lanolin enthält; das war sicher hilfreich. Mit unkardierter geht es auch, es ist dann natürlich schwerer, das Vorgarn gleichmäßig zu bekommen.
Zum Verspinnen ist es sehr angenehm, und ich bekomme damit einen viel dünneren Faden hin als normalerweise mit der Handspindel; beim Vorgarnherstellen finde ich es noch etwas schwierig, gleichmäßig zu arbeiten und nicht zu dünne, schwache Stellen zu haben.
Es hat soweit ganz gut geklappt, wir haben kardierte, aber ungewaschene Milchschaf-Merino-Wolle genommen, die noch sehr viel Lanolin enthält; das war sicher hilfreich. Mit unkardierter geht es auch, es ist dann natürlich schwerer, das Vorgarn gleichmäßig zu bekommen.
Zum Verspinnen ist es sehr angenehm, und ich bekomme damit einen viel dünneren Faden hin als normalerweise mit der Handspindel; beim Vorgarnherstellen finde ich es noch etwas schwierig, gleichmäßig zu arbeiten und nicht zu dünne, schwache Stellen zu haben.
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- Boucle
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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Ich dachte immer, dass im alten Ägypten Leinen "versponnen" wurde. Wobei das kein Spinnen in unserem Sinn war, sondern zuerst wurden die einzelnen (!) Leinenfasern überlappend mit Spucke zusammengeklebt, vorsichtig zu einem Knäuel gewickelt und dann der so entstandene Faden mit der Handspindel verdreht, um ihm mehr Festigkeit zu verleihen.
Aber was deine Wolle angeht: Erlaubt ist, was funktioniert! Beim Handkämmen kommt ja auch ein Vorgarn raus, wenn man durch Diz abzieht und dann verdreht. Selber so gearbeitet habe ich noch nicht, aber meistens nehme ich zum handspindeln sowieso gekaufte Kammzüge.
War das übrigens eine Mischung aus Milchschaf und Merino, oder ein gekreuztes Schaf?
Ciao, Klara
Aber was deine Wolle angeht: Erlaubt ist, was funktioniert! Beim Handkämmen kommt ja auch ein Vorgarn raus, wenn man durch Diz abzieht und dann verdreht. Selber so gearbeitet habe ich noch nicht, aber meistens nehme ich zum handspindeln sowieso gekaufte Kammzüge.
War das übrigens eine Mischung aus Milchschaf und Merino, oder ein gekreuztes Schaf?
Ciao, Klara
- Kattugla
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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Wie dick ist Dein Vorgarn?
Und: wenns funktioniert - ist doch alles bestens!
Ich spinne auf Märkten auch nur mit der Handspindel. Zeitrahmen: limeszeitl. Germanen.
Wir sind relativ gut bedacht mit archäologischen Belegen, unser Neckermann-Katalog heisst "Saalburg-Museum"...
Ich kardiere allerdings auch mein Marktgarn nicht, sondern verwende gewaschene Rohwolle und die belegten einreihigen Wollkämme.
Da gilt es einen Mittelweg zu finden: zu fettige Wolle ist sowohl zum Kämmen als auch zum Spinnen (wemmers auf verwebbares Garn, also auf Kettgarn / Kammgarn anlegt) eine Qual.
Das Kardieren von Wolle kam m.W erst später.
Pflanzenfasern sind schon länger in Gebrauch.
Allerdings gibt gekämmte Wolle im Fett mit der Standspindel hauchfeines Kammgarn.
Die ägyptische Art (zumindest auf Abbildungen belegt) ist das Spinnen mit der Kopfspindel, was ansonsten für Mitteleuropa unüblich scheint und auf Abbildungen wirklich nur für Ägypten und südlicher/östlicher belegt ist.
Es lässt zumindest darauf schliessen, dass die Ägypter kürzere Pflanzenfasern (Leinen, Baumwolle) verarbeitet haben, Textilfunde triangulieren das auch.
Generell gilt: kurzstapelige Fasern lassen sich besser im langen Auszug verspinnen. Heisst: viel Drall, wenig Auszug, wenig Scherbelastung. Das gibt wiederum Hinweis auf den Gebrauch der Kopfspindel.
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Ich spinne auf Märkten auch nur mit der Handspindel. Zeitrahmen: limeszeitl. Germanen.
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Ich kardiere allerdings auch mein Marktgarn nicht, sondern verwende gewaschene Rohwolle und die belegten einreihigen Wollkämme.
Da gilt es einen Mittelweg zu finden: zu fettige Wolle ist sowohl zum Kämmen als auch zum Spinnen (wemmers auf verwebbares Garn, also auf Kettgarn / Kammgarn anlegt) eine Qual.
Das Kardieren von Wolle kam m.W erst später.
Pflanzenfasern sind schon länger in Gebrauch.
Allerdings gibt gekämmte Wolle im Fett mit der Standspindel hauchfeines Kammgarn.
Die ägyptische Art (zumindest auf Abbildungen belegt) ist das Spinnen mit der Kopfspindel, was ansonsten für Mitteleuropa unüblich scheint und auf Abbildungen wirklich nur für Ägypten und südlicher/östlicher belegt ist.
Es lässt zumindest darauf schliessen, dass die Ägypter kürzere Pflanzenfasern (Leinen, Baumwolle) verarbeitet haben, Textilfunde triangulieren das auch.
Generell gilt: kurzstapelige Fasern lassen sich besser im langen Auszug verspinnen. Heisst: viel Drall, wenig Auszug, wenig Scherbelastung. Das gibt wiederum Hinweis auf den Gebrauch der Kopfspindel.
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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Und die ist dann auch nach dem Waschen noch immer "wie Kammgarn"?Kattugla hat geschrieben: Allerdings gibt gekämmte Wolle im Fett mit der Standspindel hauchfeines Kammgarn.
Widerspräche der Theorie, die mir bisher unterkam, und dem Beispiel dazu. Ich selbst habe da nur mit schon gewaschener, aber relativ fettiger Wolle was gemacht.Und ih finde, die hat auch schon etwas von der Kammgarneigenschaft verloren. Aufgeflufft halt.
Bei Leinen gibt's doch auch lange Stapel, ich hätte jetzt vermutet, dass die Ägypter grade die verwendet haben für die hochwertigen Garnde und den Werg für weniger wertvolles Garn.Es lässt zumindest darauf schliessen, dass die Ägypter kürzere Pflanzenfasern (Leinen, Baumwolle) verarbeitet haben, Textilfunde triangulieren das auch.
Ich kenn das auch so wie von Klara beschrieben, dass da wirklich 3 Fasern aneinandergelegt, "verklebt" und verdreht wurden für diese hauchfeinen Garne. Wird bei Amos so beschrieben. Ich mein, er sagt auch, dass man das lange nicht durchschaut hat, dass die da auf den Bildern zwirnen, nicht spinnen.
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- Boucle
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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Women's Work - The First 20,000 Years von Elizabeth Wayland Barber hat auch ein Kapitel zum Leinen in Ägypten (Klasse-Buch - hatten wir zwar gerade in einem anderen Thread, aber es kann gar nicht oft genug gesagt werden). Und für die (angeblich heute noch unerreicht) feinen Tücher wurde bestimmt nur der beste, langfasrigste (Stapellänge so ca. 1 m), feinste Flachs verwertet.
Was das Arbeiten mit fettiger Wolle angeht - kommt immer drauf an, was für Wolle, wie lange schon geschoren, und bei welchen Temperaturen arbeitet man. Weshalb ich denke, dass Vergleiche per Internet da extrem schwierig sind.
Ciao, Klara
Was das Arbeiten mit fettiger Wolle angeht - kommt immer drauf an, was für Wolle, wie lange schon geschoren, und bei welchen Temperaturen arbeitet man. Weshalb ich denke, dass Vergleiche per Internet da extrem schwierig sind.
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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Vielen Dank für eure Anregungen - das kann schon sein, dass sich die ägyptischen Abbildungen aufs Flachsspinnen bzw. -zwirnen beziehen; ich kann leider das Flachsspinnen immer noch nicht, oder zumindest würde ich es nicht vorzeigen
Ich bin bloß durch die Abbildungen (übrigens in Almut Bohnsacks Buch) auf die Idee mit dem Vorgarn gekommen; inzwischen habe ich eine Abbildung so in etwa aus unseren Breiten (Bologna) aus der Eisenzeit gefunden, auf der eine Frau Fasern von einem kurzen Spinnrocken spinnt, deutlich kürzer als sonst die Rocken mit Leinen drauf. Es gibt hauptsächlich römische Funde zu solchen Rocken, und der Kommentar war, dass diese kürzeren Spinnrocken möglicherweise für Woll-Vorgarn benutzt wurden (in Karina Grömers Buch "Prähistorische Textilkunst", ich kann das Buch allerdings nur bedingt weiterempfehlen
). Das Vorgarn auf einen Rocken zu wickeln und von da zu verspinnen, habe ich aber noch nicht versucht, das wird nochmal extra zum Üben
@Kattugla: Ich denke, das Vorgarn war so 3-5mm dick, aber noch lange nicht ganz gleichmäßig...
Richtige Wollkämme wären zum Vorzeigen natürlich super, aus welchem Material sind deine denn? Mein Freund hat für uns welche zum Probieren gebaut, aber für historische Veranstaltungen sind sie nicht "A"
Was das Kardieren angeht, so meinen manche Quellen, dass es möglicherweise schon früher gemacht wurde, aber ich kenne mich da leider noch nicht gut genug aus. Bzw. habe ich in oben genanntem Buch gelesen, dass es neben dem Kämmen Arten der Wollvorbereitung mit den Händen, dem Wollbogen oder anderen Geräten gab, die einen ähnlichen Effekt wie bei der kardierten Wolle erzeugen.
@Klara: Das Schaf ist eine Kreuzung zwischen Merino und Milchschaf, es ist sehr schöne, wenn auch eher kurzfaserige Wolle. Das "Klebrige" durch das Wollfett habe ich beim Vorgarn als eindeutigen Vorteil empfunden. Ich denke, die Schur war ca. vor einem Jahr.
Danke auch für den Buchtipp, das werde ich mir wohl auch besorgen müssen.

Ich bin bloß durch die Abbildungen (übrigens in Almut Bohnsacks Buch) auf die Idee mit dem Vorgarn gekommen; inzwischen habe ich eine Abbildung so in etwa aus unseren Breiten (Bologna) aus der Eisenzeit gefunden, auf der eine Frau Fasern von einem kurzen Spinnrocken spinnt, deutlich kürzer als sonst die Rocken mit Leinen drauf. Es gibt hauptsächlich römische Funde zu solchen Rocken, und der Kommentar war, dass diese kürzeren Spinnrocken möglicherweise für Woll-Vorgarn benutzt wurden (in Karina Grömers Buch "Prähistorische Textilkunst", ich kann das Buch allerdings nur bedingt weiterempfehlen


@Kattugla: Ich denke, das Vorgarn war so 3-5mm dick, aber noch lange nicht ganz gleichmäßig...
Richtige Wollkämme wären zum Vorzeigen natürlich super, aus welchem Material sind deine denn? Mein Freund hat für uns welche zum Probieren gebaut, aber für historische Veranstaltungen sind sie nicht "A"

Was das Kardieren angeht, so meinen manche Quellen, dass es möglicherweise schon früher gemacht wurde, aber ich kenne mich da leider noch nicht gut genug aus. Bzw. habe ich in oben genanntem Buch gelesen, dass es neben dem Kämmen Arten der Wollvorbereitung mit den Händen, dem Wollbogen oder anderen Geräten gab, die einen ähnlichen Effekt wie bei der kardierten Wolle erzeugen.
@Klara: Das Schaf ist eine Kreuzung zwischen Merino und Milchschaf, es ist sehr schöne, wenn auch eher kurzfaserige Wolle. Das "Klebrige" durch das Wollfett habe ich beim Vorgarn als eindeutigen Vorteil empfunden. Ich denke, die Schur war ca. vor einem Jahr.
Danke auch für den Buchtipp, das werde ich mir wohl auch besorgen müssen.

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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Ich habe einmal Wolle statt zu kardieren nur gezupft (weil ich die leicht missglückte Färbung nicht noch mehr durchmischen wollte) und dem Garn hat man's nicht angesehen, dass sie nicht kardiert war. Das Zupfen hat allerdings im Zweifel eher länger gedauert als zu kardieren.Miriam hat geschrieben:Bzw. habe ich in oben genanntem Buch gelesen, dass es neben dem Kämmen Arten der Wollvorbereitung mit den Händen, dem Wollbogen oder anderen Geräten gab, die einen ähnlichen Effekt wie bei der kardierten Wolle erzeugen.
Was passt dir denn nicht an der Prähistorischen Textilkunst? Ich kenn's nicht, und der Titel klingt interessant.
Ciao, Klara
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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Ja, das hatte ich auch gedacht, dass das länger dauert als Kardieren.Das Zupfen hat allerdings im Zweifel eher länger gedauert als zu kardieren.
Zu dem Buch: Ich hatte mir davon einfach mehr erwartet... ich habe die Haupt-Autorin einmal auf einer Veranstaltung kennengelernt, und sie war sehr auskunftsfreudig, und ich hatte den Eindruck, dass sie sich in ihrem Fachgebiet wirklich auskennt (sie kann auch selber super spinnen und brettchenweben). Bei dem Buch war es aber für mich und einige andere Leser so, dass es mehr Fragen aufwirft als beantwortet, und dass nicht so in die Tiefe gegangen wird, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich werde aber bei Gelegenheit eine Rezension in den entsprechenden Bereich stellen, wenn Interesse besteht, sonst wird's hier zu sehr OT.

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Re: Vorgarn ziehen/spinnen
Ja, das Interesse besteht! Danke im voraus!