Alte Ziegen - schnell?

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Moderator: Claudi

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Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Klara » 11.12.2008, 16:11

Mal wieder ein Grundsatzbeitrag zur Spinnradtechnik.

Ich les' nämlich immer wieder, dass die alten Ziegen so "schnell" seien, und ich kann das nicht nachvollziehen. Meine kleine kommt gerade mal auf 1:7 - 1:8, und meine grosse schwedische (mit 65-cm-Schwungrad) auf 1:16. Zum Vergleich: Das Mazurka hat schon 1:12, und das Polonaise knappe 1:20.

Das Übersetzungsverhältnis kann man leicht selber messen: Eine Markierung an einen Flügelarm und an eine Speiche machen. Beide Markierungen nach oben bringen, das Antriebsrad langsam drehen und zählen, wie viele Umdrehungen der Flügel macht, bis die markierte Speiche wieder oben ist. Alles klar?

So kriegt man die Übersetzung (sprich, bauartbedingte "Geschwindigkeit") eines Rades raus, ohne zu messen und zu rechnen.

Dass sich so eine alte Ziege oft nicht so bequem treten lässt wie ein modernes Rad mit Wiegetritt und man deshalb versucht ist, schneller zu treten, das ist wieder ein anderes Problem....

Ciao, Klara
Zuletzt geändert von Klara am 27.02.2009, 21:56, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von shorty » 11.12.2008, 16:15

Ich besitze ja selber keine Ziege, aber meines Wissen gibt es viel Spinnräder die früher hauptsächlich zum Flachsspinnen gedacht waren.
Für ordenlich Drall, sprich relativ kleine Wirtel und dadurch sehr schnell.
Ob das nun auf alle alten Ziegen zutrifft, eher nicht oder?
Karin
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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Anna » 11.12.2008, 16:22

Ich hätte das auch mal gern theoretisch geklärt. Denn gerade Flachsräder haben ja oft kleine Schwungräder. Da müsste die Flügelwirtel ja winzig sein, wenn das Rad "schnell" sein soll.
Mein Minstrel schafft mit 45 cm Schwungrad und der kleinsten Wirtel gerade mal 1:16 (das habe ich aber jetzt nicht nachgeprüft, sondern von der deutschen HP genommen).
Gruß von Anna
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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Klara » 11.12.2008, 21:28

Ich hab' mich auch einige Zeit lang gewundert, aber inzwischen frage ich mich, ob Flachs wirklich mit so viel Drall versponnen wird. Denn das sind ja ewig lange Fasern (35 - 75 cm), und die Fäden wurden meistens auch nicht verzwirnt.

Und als echter Bücherwurm habe ich auch die Antwort: Patricia Baines schreibt in "Linen, Handspinning and Weaving", dass der Drallwinkel (twist angle) eines Leinenfadens zwischen 7 und 20 Grad liegt. Mabel Ross schreibt in "The essentials of yarn design for handspinners", dass bei einem 60 wpi-Faden (60 Wicklungen auf 2,54 cm) und einem Winkel von 7 Grad 4 tpi (twists per inch - Drehungen pro 2,54 cm) nötig sind, bei gleicher Fadenstärke und einem Winkel von 14 Grad 7,5 tpi, 17 Grad/9 tpi, 21 Grad/11 tpi. Und Anne Field schreibt in ihrem Buch "Spinning Wool - Beyond the Basics" dass man bequem nur einen Inch pro Tritt ausziehen kann. Ist natürlich für Wolle, und ausserdem halte ich die Behauptung für Schwachsinn, aber nehmen wir mal an, ein Auszug von 2,5 cm pro Tritt wäre auch mit Flachs angenehm zu handhaben. Dann wäre ein Rad mit einer Übersetzung von 7,5:1 genau richtig für einen hauchdünnen Faden, der nicht verzwirnt werden soll. Und Zeit zum Finger befeuchten muss ja auch noch bleiben...

Liest noch jemand mit? Ich glaube ausserdem, dass die Flachsräder oft so kleine Schwungräder haben, damit man sie schnell anhalten kann. Baines legt nämlich viel Wert darauf, dass man bei dem kleinsten Problem, der kleinsten Unregelmässigkeit sofort stoppt.

Meine praktische Erfahrung mit Flachs beschränkt sich aber auf kurze Versuche mit dem kurzen Zeug. Ans Rocken wickeln habe ich mich nie getraut.

Ciao, Klara

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Beyenburgerin » 12.12.2008, 01:34

Joooo, ich lese noch mit. Und so lang sind meine Leinenfasern nicht.

Meine alte schwedische Ziege hat von Rad zu Wirtel ein Übersetzungsverhältnis von 1:11 (Raddurchmesser 70 cm!!!!) und von Rad zu Spule etwa 1:15. Ich weiß nicht, ob man da einen Mittelwert nimmt. Es zieht also ordentlich ein. Damit so ein großes Rad auch läuft, darf man nicht allzu langsam treten, es spinnt sich also recht fix darauf.
Gruß aus dem Woll-Bergischen °°° Brigitte ||

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von shorty » 12.12.2008, 11:35

Ich kann da leider gar nichts zu sagen, da ich noch keinen Langflachs versponnen habe.
Meinst Du das sich Baines nur auf Flachs bezog oder ist das für alle Materialien von ihr so angedacht, finde ich persönlich für Wolle nämlich Nonsens.
Da kann man gut eine Unregelmäßgikeit, Nachschnitt oder Strohstückchen rauszupfen ohne anzuhalten.
Hälts Du da jedesmal an? Auch wenn vieles ganz sicher stimmt aus den Büchern der Spinnkönner, Papier ist eben geduldig,und ich denke , es gibt wie bei vielen Themen kein 1000 prozentig.

Was mir zu den Flachsrädern noch eingefallen ist, das alte Wollspinnrad meiner Mutter, allerdings ein Bock ,hat unwahrscheinlich kleine Spulen, da vertut man sich evtl mit der Größe des Wirtels beim abschätzen.

Aber wie man bei uns so schön sagt,
nix is gwies,
was soviel heißt, wie man weiß nichts genaues.
Liebe Grüße
Karin
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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Petzi » 12.12.2008, 11:47

Also zu diese kleinen Flachs- oder Leinenräder habe ich so meine eigene Theorie. Gerade beim uns im Schwarzwald gibt es viele Ziegenräder. Vor kurzem hat mir jemand erzählt, daß diese von ungarischen Einwanderern mitgebracht wurden.
Also stelle ich mir vor, daß diese "kleinen" Ziegenräder mitgenommen wurden, weil sie so leicht zu transportieren waren. Die großen Räder hat mal als Einwanderer wohl kaum mitgeschleift. Auch wurde früher ja oft in Gruppen gesponnen und da konnte so eine Ziege auch besser unter den Arm geklemmt werden.

Die kleinen Spulen kommen wohl eher daher, daß Leinen sehr dünn gesponnen wird. Da kommen schon einige Meter auf so eine kleine Spule. Und das hatte wohl auch was mit der Dauer, bis eine Spule voll war zu tun.

Ist aber nur so eine Überlegung von mir und in keinster Weise belegt.
Aber so könnte es doch wohl auch gewesen sein, oder?

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von shorty » 12.12.2008, 11:49

Vielleicht kann uns Danny da weiterhelfen, die kennt sich sehr gut mit historischen Fakten aus.
Wie gesagt, auch das Wollspinnrad meiner Mutter hat so ne kleine Spule. Es ist definitiv kein Flachsrad.
Karin
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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von lavendelschaf » 12.12.2008, 13:10

Hallöchen,

ich habe mal gelesen, dass viele dieser Spinnräder so klein und handlich waren, weil man sich - besonders in der Winterzeit - hin und her in den Stuben getroffen hat. Das hatte mehrere Vorteile: Einmal musste man dann nicht selber heizen, sondern der Gastgeber (es ging meist reihum) und dann der Unterhaltungswert, den diese "Spinnstuben" hatten ... kennen wir ja auch von den Spinntreffen. Mit TV, Video, Computer usw. war ja noch nichts ...
Also wurden viele Spinnräder so klein und tragbar gebaut, damit man sich diese einfach unter den Arm klemmen konnte.

Lg Heike Bild

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Klara » 12.12.2008, 21:34

Karin, das Buch von Baines, aus dem ich zitiert habe, handelt nur von Flachs - spinnen und weben. Und Patricia Baines weiss schon, wovon sie schreibt - zumindest habe ich diesen Eindruck (ihre Bücher sind auch schon älter - oft denke ich, dass die Qualität da besser war als bei den heutigen Schnellschüssen).

Bei Wolle zupfe ich auch mal so, oder lass' die Unregelmässigkeiten (wenn's nur Wollknubbel sind) auch einfach drin. Aber ich spinne ja keine hauchdünnen Fäden, um mir dann Leintücher zu weben!

Beyenburgerin, wie man bei Doppelfädigen rechnet, weiss ich auch nicht, deshalb hab' ich ja einfach ausprobiert, wie oft sich der Flügel dreht. Wie lang ist denn dein Flachs? Und wurde er als Langflachs verkauft oder als "tow" (wie heisst denn das schon wieder? Die kurzen Fasern, die beim Hecheln rausfallen...) Die Fasern auf dem Foto in Baines Buch (sie beschreibt mehrere Möglichkeiten, einen Rocken zu basteln und dann zu wickeln) schauen schon so lang aus.

Übrigens, das Zeug das oft als Deko auf "antiken" E-Bay-Rädern ist, ist auch ziemlich langfasrig. Ob's wirklich Flachs ist, oder vielleicht Hanf, ist mir dann auch egal...

Ciao, Klara

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von shorty » 12.12.2008, 21:47

Liebe Klara,
vielen Dank für die Antwort zu dem Baines Buch.
Ich besitze leider gar keine ältere Spinnliteratur. Da magst Du aber recht haben, dass das damals noch etwas fundierter war.
Liebe Grüße
karin
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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Sabine » 13.12.2008, 11:46

Aloha alle,

das ist ein interessantes Thema, da auch ich keine alte Ziege besitze, kann ich nicht wirklich mitreden. Mein 2fädiges ist ein Hochrad und ich bin mir auch nicht sicher ob es wirklich ein Arbeitsrad war.

Sicher bin ich mir allerdings, dass es eine gewisse mindest Trittfrequenz vordert, damit der Knecht über den oberen Totpunkt drüber kommt.

Was ich auch nicht so ganz nachvollziehen kann ist die Aussage das man immer hartes Garn bekommt und das Garn von Flügegebremsten Rädern weicher ist als das von 2fädigen.

Das war bei mir andersrum und seit dem ich mein Maja habe, bestimme ich die Härte meines Garns komplett selber.

*Geschwindigkeit ist keine hexerei, man braucht nur schnellgenug zu treten!* Bild

So wie ich das sehe ist es wie immer, das Spinnergebnis ist so individuell wie die Spinner. Und heut zu Tage wird mehr abgeschrieben als ausprobiert. Bild
Zuletzt geändert von Sabine am 13.12.2008, 11:46, insgesamt 1-mal geändert.
Alles liebe

Sabine

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von shorty » 13.12.2008, 11:58

Liebe Sabine,
ich denke auch , dass das Spinnergebnis ganz stark von der Spinnerin abhängt. Ich sag nur Moswolt Teppichgarnrad:-))
Ich schaffs nicht mal darauf richtig dick zu spinnen.
Das mit dem Totpunkt ist allerdings bei dem Wollrad meiner Mutter auch so, ich glaube, das liegt an der Befestigung bzw.
der Bauart dieser Einzeltritte früher. Das Mosi hat zwar auch Einzeltritt, ist aber ganz anders vom Konzept.

Meine Mutter spinnt auf dem alten Wollrad ürigens deutlich härtere Wolle als ich, ich hab ja in Schliersee nach ganz langer Zeit , so 2 Jahre, mal wieder drauf gesponnen.
Ich glaube, das Spinnergebnis ist von ganz vielen verschiedenen Faktoren abhängig.

Liebe Grüße
Karin
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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Sabine » 13.12.2008, 12:09

Aloha Karin,

ich hatte ja früher mal ein Merino, da hat es geheißen das man damit nicht dünn spinnen kann. Ich konnte es schon, allerdings ist es am Anfang, wenn die Spule noch leer ist, eine Tortour. Wenn dann schon was drauf ist auf der Spule, ist es deutlich einfacher.

Stimmt, Du kennst ja meinen Bock. Bild
Alles liebe

Sabine

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Re: Alte Ziegen - schnell?

Beitrag von Spinning witch » 13.12.2008, 14:00

@Bayernburgergerin/klara: Bei den Doppelfädigen rechnet sichs genauso. Weil das Größenverhältnis Antribesriemen/Wirtel sich nicht verändert. Es ist egal ob der Treibriemen nebenher noch über den Spulenwirtel läuft, die Übersetzung bleibt bei gleichgroßen Wrtel und gleichgroßen Schwungrad dientisch. Egal was der Treibriemen woanders noch erledigt. Du hast also ein Übersetzung von 1/11.

@Sabine: das die meisten auf zweifädigen Rädern erstmal Drahtseile produzieren liegt daran dass ein wie auch immer gebremstes Rad eher am Faden zieht und man beim zweifädigen Spinnen bewusster loslassen muss. Während es beim einfädigen genügt ein bißchen an der Bremse zu zoppeln damit einem das Rad selber immer wieder ans Hergeben erinnert :-)
In meiner ersten zeit der 2fädigen Spinnerei hatte ich einen relativ hohen Verschleiss von Anriebsfäden weil ich es einfach gewohnt war das das Rad mir die Wolle aus den Fingern zieht.

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