Verhältnis Wirtel und Spule

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Moderator: Claudi

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Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Winterkatze » 20.07.2021, 19:22

Guten Abend,

ich bin ganz neu hier und auch beim Thema spinnen.
Ich habe mir kürzlich zwei gebrauchte, ältere Spinnräder gekauft.
Zuerst hatte ich ein zweifädiges Hochrad von Kurt Fiedler, einem Drechsler aus Eibau. Ich hab daran zum ersten Malbgesponnen und mittlerweile gelingt mir ein immer gleichmäßigeres, recht dünnes Garn.

Mein zweites ist ebenfalls ein zweifädiges Hochrad allerdings unbekannter Herkunft.
Es ist funktionstüchtig, jedoch reißt mir immerzu der Faden, anders als bei dem anderen Rad. Ich habe es mal so eingestellt, dass der Antriebsriemen etwas lockerer war, mal so, dass er etwas fester war. Langsamer und schneller getreten, versucht, nicht so schnell loszulassen dass es sich aufwickelt, da ich glaube, dass der Faden zu wenig verdreht wird. Mäßiger Erfolg.

Ich hab mir die beiden Räder nochmal angesehen und verglichen. Dabei ist mir aufgefallen, dass bei dem ersten Rad die Spule einen größeren Durchmesser hat an der Stelle, an der der Riemen läuft, als der Wirtel.
Bei dem zweiten Rad ist das genau umgekehrt.

Ich habe nun gelesen, dass es eigentlich so sein müsste wie bei dem zweiten Rad. Und dass es umgekehrt nicht funktionieren würde.

Wie kommt es dann, dass ich sie dem ersten Rad spinnen kann und auf dem zweiten Rad nicht wirklich?

Viele Grüße, die Winterkatze

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von shorty » 20.07.2021, 20:33

Lässt sich aus der Ferne ganz schwer beurteilen.
Wenn der Faden nicht genug Drall hat, muss Du schneller oder länger treten vor dem einlaufen lassen
Es kann durchaus sein, dass sich die beiden Räder in der Übersetzung sehr unterscheiden
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

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Rolf_McGyver
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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Rolf_McGyver » 20.07.2021, 20:55

Hallo,
welcher Wirtel größer ist, spielt keine Rolle, das bestimmt nur die Wickelrichtung (Flügel schneller als Spule oder Spule schneller als der Flügel). Wichtig beim 2-fädigen Spinnrad ist nur, dass ein Durchmesserunterschied da ist, sonst ist kein Einzug vorhanden.

Der unterschiedliche Durchmesser selbst bestimmt die maximale Einzugsgeschwindigkeit.

Ist die Antriebsschnur zu griffig (Material des Riemens, Oberfläche der Rillen, Riemenspannung), entsteht bei dünnem Garn eventuell zu wenig Drall und der Faden reißt. Auch beim 2-fädigen Spinnrad darf der Antrieb nicht zu stramm sein, es muss Schlupf vorhanden sein. Du musst in der Lage sein, bei stehendem Schwungrad den fertigen Faden zurück von der Spule zu ziehen. Geht das nicht und der Faden reißt dabei, ist die Riemenspannung zu groß oder das Riemenmaterial zu überprüfen.

Daher kann es sein, dass sich beide Räder in den vorgenannten Eigenschaften am Antrieb unterscheiden und daher das Problem mit dem einen Rad besteht.

Stelle doch mal Fotos der Räder (besonders der Wirtel und der Antriebsschnüre) ein, dann lässt sich das besser beurteilen.

LG Rolf

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Winterkatze » 21.07.2021, 02:20

Wow, dankeschön für die ausführlichen Denkanstöße!
An der Sache mit den unterschiedlichen Antriebsriemen ist glaube ich was dran!
Ich schreibe nochmal, dann mit Fotos :-)

Vielen Dank!

borekd
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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von borekd » 21.07.2021, 23:39

Hallo,

ich beschäftige mich (technisch-konstruktiv) seit etlichen Jahren mit zweifädigen Rädern, weil es die von meiner Frau bevorzugte Art zu spinnen ist.

So kann ich Rolfs Hinweise bis auf relativ unwesentliche Details bestätigen. Ergänzen möchte ich dennoch, dass (zumindest nach meinem Wissensstand) 2F-Räder in überwiegender Mehrzahl größere Flügewirtel als Spulenwirtel haben. Andersherum müsste es ebenfalls funktionieren, allerdings habe ich ein so konzipiertes Rad mit eigenen Augen noch nie gesehen.

Zusätzlich möchte ich noch auf den Rillenquerschnitt hinweisen, bzw. viel mehr auf die grundsätzlich unterschiedlichen Rillenquerschnitte der beiden Wirtel. Zusammen mit dem Durchmesserunterschied der beiden Wirtel (das Mindestmaß beträgt lt. Literaturangaben 12% bis 20%, bezogen auf den Flügelwirtel) ist bei zweifädigen Rädern der Rillenquerschnitt maßgeblich für das Spinnergebnis und -gefühl verantwortlich.
Näheres dazu hier:
viewtopic.php?f=19&t=28075
insbesondere diese Skizze:
download/file.php?id=31486&mode=view

Aus der Spinnpraxis meiner Frau (ich selbst kann gar nicht spinnen, und befasse mich mit der Materie nur als ihr "technischer Support") konnte ich recht schnell erkennen, dass sie am liebsten mit einem Übersetzungsgefälle (oder einem Einzugsverhältnis, siehe verlinkter Thread) oberhalb von ca. 40-60% spinnt, 80% und mehr sind keine Seltenheit. Doch das können auch subjektive Vorlieben sein.

Von daher wäre eine Nahaufnahme der Rillen der beiden Wirtel (zusammen mit der Schnur, und das von beiden Rädern) für eine Beurteilung wichtig, ob die unterschidlichen Eigenschaften ggf. (auch) von den Rillenquerschitten resultieren können.

Gruß
Borek

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Glaskocher » 22.07.2021, 20:53

Ich tippe mal darauf, daß der Riemendurchmesser relativ zum Querschnitt der Rillen ebenfalls eine Rolle spielt. Er muß so groß sein, daß er in der Rille mit dem V-Querschnitt nicht den Rillengrund berührt, aber in der Rille mit dem gerundeten Querschnitt nicht von den Flanken eingeklemmt wird. Nur dann greift der eine Wirtel immer und der Andere kann bei Zug durchrutschen.

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von borekd » 23.07.2021, 12:11

Hallo Glaskocher,

Du hast recht, der Einfluss der Antriebsschnur ist riesig. Ihr Durchmesser muss zu den beiden Rillenquerschnitten passen, und auch die Eigenschaften (weich/hart, rutschig/griffig) spielen eine wesentliche Rolle.

Allerdings trifft die Aussage
Glaskocher hat geschrieben:
22.07.2021, 20:53
Ich tippe mal darauf, daß der Riemendurchmesser relativ zum Querschnitt der Rillen ebenfalls eine Rolle spielt. Er muß so groß sein, daß er in der Rille mit dem V-Querschnitt nicht den Rillengrund berührt, aber in der Rille mit dem gerundeten Querschnitt nicht von den Flanken eingeklemmt wird. Nur dann greift der eine Wirtel immer und der Andere kann bei Zug durchrutschen.
uneingeschränkt m.E. nur im Idealfall zu, wenn das gesamte Rad extrem leichtgängig, mit einem Doppeltritt ausgestattet und sein Schwungrad etwas wuchtiger (= mehr Massenträgheit) ist.

Daher bin ich dazu übergegangen, die Spulenrille etwas enger zu gestalten. So, dass die Antriebsschnur dort zwar auf dem Rillengrund aufliegt, gleichzeitig aber auch die Flanken leicht berührt. Etwa 0,1 mm ist die Rille auf ihrem Grund enger als der Durchmesser der Schnur. Der Vorteil ist dabei, dass das Rad noch weniger Vorspannung in der Schnur benötigt, bzw. der Gripp und somit auch der Einzug bei gleicher Vorspannung erhöht ist. Dieses System funktioniert auch bei Rädern, die dem o.a. Idealfall von ihrer Leichtgängigkeit und/oder von der Gleichmäßigkeit des Laufs nicht ganz entsprechen.

Man kann auch durch die Wahl der Rillenquerschnitte und der Antriebsschnur für eine konkrete Spinnerin das vorhandene Rad "auf Maß schneidern", also ihren individuellen Spinnvorlieben anpassen. Es ist ein umgekehrter Prozess zu dem oft (und richtig) empfohlenem Probieren von möglichst vielen unterschiedlichen Rädern, bevor man sich sein eigenes kauft.

Gruß
Borek

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Winterkatze » 23.07.2021, 12:50

Hallo, vielen Dank für die interessanten Einblicke!
Das Spinnrad aus Eibau, mit dem ich seit ein paar Tagen übe:
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Winterkatze » 23.07.2021, 12:51

Und das zweite Rad, mit dem ich nicht klarkomme:
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von Winterkatze » 23.07.2021, 12:54

Ich habe aber nun nochmal das zweite Rad beim Treten genau beobachtet und festgestellt, dass es eiert. So ist der Riemen (der war schon dran, für das erste Rad hab ich Paketschnur genommen) teilweise recht stramm, teilweise zu locker - ist das des Rätsels Lösung?

Habe keine Ahnung, ob man da was machen kann. Rausnehmen und versuchen, es grade zu klopfen? Irgendwas hat sich da vermutlich verzogen...

borekd
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Re: Verhältnis Wirtel und Spule

Beitrag von borekd » 23.07.2021, 19:34

Hallo Winterkatze,
Ich habe aber nun nochmal das zweite Rad beim Treten genau beobachtet und festgestellt, dass es eiert. So ist der Riemen (der war schon dran, für das erste Rad hab ich Paketschnur genommen) teilweise recht stramm, teilweise zu locker - ist das des Rätsels Lösung?
Das kann gut sein. Wenn die Antriebsschnur keine annähernd konstante Spannung hat, kann es nicht richtig funktionieren.
Was genau eiert? Schwungrad? Spule? Flügel? Alles?
Falls Du das Schwungrad meinst, ist es eher ein Planschlag (Deformation in Achsrichtung, so wie eine 8 am Fahrrad) oder ein Radialschlag (quer zur Achsrichtung)?

Aus welchem Material ist denn die Antriebsschnur?
Du könntest ggf. eine andere Schnur probieren. Tendenziell, weil es Unregelmäßigkeiten in der Fadenspannung gibt, würde ich eher etwas flexibleres wählen, z.B. eine Jalousieschnur.
Rausnehmen und versuchen, es grade zu klopfen? Irgendwas hat sich da vermutlich verzogen...
Letzteres vermute ich auch. "Gerade klopfen" wird aber mit Sicherheit nicht funktionieren, es ist doch kein Metall. Holz kann man durch anfeuchten, unter statisch wirkendem Druck und Wärmezufuhr in die gewünschte Richtung (zurück) biegen, und so trocknen lassen. Das sollte allerdings jemand machen, der sich mit solchen Sachen sehr gut auskennt, sonst endet das vermutlich nicht gut.
Aber auch wenn das Richten erfolgreich sein sollte, ist immer noch die Gefahr da, dass sich das Holz bei der nächsten Temperatur- oder Feuchteschwankung wieder verzieht.
Man kann sowas, je nach dem Ausmaß der Deformation, versuchen nachzufräsen/nachzudrehen. Doch auch das ist für einen Normalbastler wohl eine Nr. zu große Aufgabe.
Ich sage es ungern, aber ein Ersetzen des eiernden Teils könnte trotz aller Schwierigkeiten bei der Anpassung fast das Einfachste sein.

Das Foto von dem nicht gut funktionierendem Rad ist aus einer unglücklichen Perspektive aufgenommen, von dem Rillenprofil kann ich hier nichts erkennen. Bei dem Foto von dem anderen Rad ist zwar die Perspektive nahezu perfekt, allerdings verdeckt die Paketschnur den Rillengrund. Daher kann ich zu dem Rillenquerschnitt kaum etwas sagen.
Ich vermute aber, dass das Eiern erst einmal das Hauptproblem sein könnte.

Gruß
Borek

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