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Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 14:44
von Anna
Liebe Spinnerinnen,
ich brauche mal etwas Hilfe von jemandem, der sich mit indischen Charkhas auskennt.
Der indische Freund meiner Tochter war über Neujahr zuhause in Mumbai und hat mir von dort, für mich völlig überraschend, eiin Charkha mitgebracht. (Ich hab ihn nicht darum gebeten! Ich hatte irgendwann vor mindestens einem Jahr, als ich ihm mal ein wenig von meinem Spinnhobby erzählt habe, beiläufig erwähnt, dass man in Indien schicke kleine Baumwollräder baut!!)
Nun, ich freue mich natürlich, obwohl es mich ein wenig unangenehm berührt, wieviel Scherereien der junge Mann wegen des Rädchens hatte. Das fing damit an, dass er vor Ort in Mumbai keines bekam und sein Vater extra in ein Gandhi-Ashram gereist ist, um eines zu besorgen; und das hörte damit auf, dass er das Kit wegen der spitzen Spindeln nicht, wie geplant, im Handgepäck mütführen durfte und das Palaver am Flughafen deshalb groß war. Er hat am Ende die Spindeln in seine Laptoptasche getan, den Laptop unter den Arm geklemmt und die Tasche mit den Spindeln als Extragepäck aufgegeben. Ein Hoch auf die indische Beharrlichkeit.

Nun habe ich jedenfalls alles hier und es ist Ehrensache, dass ich damit spinne.

Ich bin halbwegs sicher, es richtig aufgebaut zu haben:

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Das ist das Lager, in dem die Spindel liegt.

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Nun kommt das Problem, wenn ich das große Rad mit dem Handgriff anleiere, dreht sich zwar alles. Aber erst, wenn ich richtig Schwung gebe, und dann dreht sich natürlich wieder alles viel zu schnell.
Man erkennt oberhalb und unterhalb der Rille, in der die Spindel liegt, je zwei Löcher. Durch diese Löcher waren, als ich das Kit aufgemacht habe, zwei Schnüre gezogen, die die Spindel im Lager hielten. Die habe ich abgemacht, weil die Spindel allein durch die Spannung der Zugschnur auch so hält; ich kann sie aber leicht wieder dranmachen. Vielleicht kennt sich jemand ein wenig mit solchen Rädern aus und kann mir sagen, wie fest die Schnurspannung für den Anfang sein sollte; wenn ich die Schnur lockere, müssen diese beiden Strippen wieder an die Einheit, damit die Spindel nicht rausfällt. Und vor allem wüsste ich gern, ob und wie ich das Lager fetten muss. Im Moment enthält es keine Spur von Fett, obwohl auf dem Rad ausgiebig gesponnen wurde, wie die beiliegenden Spindeln und der fertige Garnstrang zeigen. Das Garn ist einfädig, sehr fein und gleichmäßig und hat fast keinen Überdrall! Da war ein absoluter Könner am Werk!
Es ist übrigens ein Pöckchen Baumwollfaser dabei und weitere Faser habe ich noch im Keller liegen. Am Material soll es also nicht scheitern.

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Kann mir jemand helfen? Ich möchte dem jungen Mann, der den Regeln seiner Kultur gemäß weder ein Gegengeschenk noch gar Kostenerstattung akzeptiert (er hat schon meine diesbezüglichen Fragen als Beleidigung empfunden), wenigstens ein schönes Garn zeigen können, wenn wir uns mal wieder treffen.

Liebe Grüße,
Anna

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 15:38
von Spingirl
Ich habe von Charkhas leider keine Ahnung, aber was für eine tolle Geschichte, und was für ein netter Mensch, der sich solche Mühe gibt, um anderen eine Freude zu machen! Das beigelegte Mustergarn ist ein Traum, so möchte ich auch Baumwolle spinnen können! (Hab's bisher nur auf der Handspindel versucht, was auch ganz gut geklappt hat, aber bei weitem nicht so dünn und gleichmäßig.) Ich drücke dir die Daumen, daß du das Rad schnell in Betrieb nehmen kannst - irgendein Charkha-Experte wird sich hier doch wohl finden. :)

Spingirl

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 15:42
von Anna
Ja, ich bin ihm sehr dankbar. Aber unser Verhältnis ist nicht ganz frei von Spannungen (was natürlich auf beiden Seiten nichts mit Bösartigkeit zu tun hat, sondern in jedem Fall an kulturell bedingten Unterschieden in der Lebensart liegt und auch an der Sprachbarriere, denn er spricht kaum Deutsch und mein gesprochenes Englisch ist nicht der Knaller). Mir wäre es lieb, wenn ich ihm einfach eine Gegenfreude machen könnte. Immerhin habe ich ihm vor ein paar Monaten schon mal was gestrickt. Vielleicht ergibt sich bald wieder eine Gelegenheit.

Eben habe ich ein Video angesehen, in dem es um das gleiche Rad geht. Da zeigt sich, dass ich anscheinend die Spindel falsch herum aufgelegt habe; die Spitze zeigt nach unten, nicht nach oben. Das bedeutet, dass ich mit der Rechten drehen und mit der Linken spinnen muss, sonst zeigt die Spindelspitze von mir weg. Hoffentlich wird das noch was. :fear:

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 15:54
von Sina
Hi Anna, ich habe auch keine Ahnung von Charkas, aber ich kann verstehen dass Dir das zu schnell ist. Meine Spulspindel auf dem Ashord Elisabeth ist mir auch viel zu schnell. Und das ist mit Sicherheit viel langsamer als Deine Charka.
Ich denke Übungssache.

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 16:14
von Anna
Nachdem ich das ganze Kit herumgedreht und die Spindel so aufgelegt habe wie in dem Video zu sehen, deutet sich jedenfalls an, wie man vorzugehen hat. Ich habe sogar ein paar Zentimeter Faden produziert und denke, ich bin auf dem richtigen Weg. Es geht nun allerdings genau andersrum als ich es instinktiv machen wollte. Man dreht das Schwungrad mit rechts und hält die Spinnfasern mit links, und die Spindel zeigt abwärts statt aufwärts, was im Dauerbetrieb möglicherweise weniger anstrengend ist, weil man die Faserhand nicht hochhalten muss - wahrscheinlich daher diese Anordnung. Ich versuche es weiter.

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Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 17:08
von Strickliesl73
Schau mal, hier ist alles genau erklärt. Ich fand sie sehr hilfreich.

https://www.youtube.com/watch?v=SBOYU6gHDu0
https://www.youtube.com/watch?v=B4uZu9yNboI

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 17:09
von Spinnwinde
Guck mal im Spinnernetz rein, da gibts nen Thread zum Spinnen mit der Charkha
Ein Geschenk ist ein Geschenk, etwas dafür geben ist nicht Sinn der Sache, denn dann wärs ein Tauschgeschäft. ;)

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 19:16
von Anna
Vielen Dank für die Tipps.
Ich habe inzwischen schon ein paar Meter Garn gesponnen. Es geht nicht mal so ganz übel. Das Rad funktioniert jedenfalls prima und ich denke, ich kann das lernen. :o)

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 21:12
von XScars
Das Geschenk und die Geschichte ist wunderschön...

ich habe auch ein Charkha, allerdings kein indisches... das Video was du verlinkt hast, kenne ich auch und finde es super, weil es wirklich alles genau erklärt, auch wenn indisches Englisch nicht jedermanns Sache ist... ;-)

Bei meiner Bosworth Charkha geht die Spindel auch nach unten, was auch Sinn macht, sonst würde der Faden ja viel zu leicht rutschen, wenn man nach oben zieht.... ich fand es auch schwierig und ungewohnt am Anfang, obwohl ich den langen Auszug auch am Spinnrad so mache... übrigens hilft da am Anfang auch park and draft, weil man viel zu schnell dreht.... bei mir wirds auch immer noch knubbelig, aber ich finde es macht total Spaß und ist irgendwie total entspannend...

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 21:16
von Tomtenisse
So ein Geschenk dürfte bei mir auch gerne einfliegen:-) viel Spass damit!

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 21:50
von Anna
Ich habe gar nichts gegen knubbeliges Garn; gleichmäßiges kann ja jede Maschine :D
Vorhin habe ich eine Weile überlegt, ob ich einen Versuch machen soll, das Kit aufzuhübschen. Nach europäischen Maßstäben sieht es nicht berauschend aus. Man könnte wenigstens die größeren Holzteile ein wenig abschleifen und neu lasieren. Aber vielleicht macht auch gerade das provisorische Aussehen den Charme aus.
Na ja, hat ja Zeit.
Mittlerweile habe ich auch Wolle darauf probiert. Aus der Falte spinnen geht. Der Faden wird unglaublich fein.

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 18.01.2015, 23:11
von Lilith
Hallo Anna,

na, das wichtigste hast du ja schon rausgefunden und es inzwischen richtig aufgebaut. Ich habe ein fast identisches Charkha und habe eine Zeit lang richtig viel drauf gesponnen, sozusagen meine Baumwoll-Phase. Ich find, so wie die Dinger aussehen passen sie zu Indien, die sehen da einfach ein Werkzeug drin, da spielt Optik nicht so die Rolle.
Dass die Spindel leicht nach unten zeigt hat seinen Grund. Beim Spinnen muss der Faden ja im leichten Winkel zur Spindel geführt werden, das würde nicht funktionieren, wenn die Spindel nach oben ausgerichtet wäre. Die Dinger haben tatsächlich eine sagenhafte Übersetzung, deswegen sind sie ja auch so optimal für Baumwolle. Sie geben viel Drall auf den Faden, was gut für die kurzstapelige Baumwollfaser passt, besonders wenn man bedenkt, dass damit ja hauptsächlich Garn zum Weben von Alltagstextilien produziert wurde. Wenn du die Baumwolle zum Stricken haben willst bietet es sich an, sie mit mehreren Fäden zu verzwirnen. Auf der Charkha kannst du ohne Probleme so dünn und dennoch haltbar spinnen, dass du 4- oder 6-fädiges Sockengarn herstellen kannst.
Klar kann man auch gut vorbereitete andere Fasern darauf spinnen, alles, was sich mit einer Hand ausziehen lässt. Das ist aber nicht so meins, diese dünnen Wollfäden. Seide hab ich auch mal versucht, ging aber nicht so gut, vermutlich weil sie zu langfaserig ist. Vielleicht hab ich aber auch nur nicht hartnäckig genug probiert. Kriege gerade Lust, das nochmal zu versuchen... muss mal schnell meine Charkha auspacken gehen...

Spinnerte Grüße von
Lilith

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 19.01.2015, 00:33
von Anna
Hallo Lilith,
ich mag extrem dünne Wolle sehr gern (ich stricke so gut wie nie dicker als SoWo und auch gern mal Lauflängen von 1000 m /100 gr und mehr). Wenn ich ein extrem dünnes Wollgarn auf dem Charkha herstellen könnte, würde ich es probieren. Aber erst mal mache ich mit der Baumwolle weiter.
Das Rad hat eine ganz eigene Poesie. Einmal die, sagen wir's ruhig, nicht gerade hübsche Optik - es ist ein reines Arbeitsrad. Und dann die besponnenen Spindeln und der kleine Garnstrang. Ich denke schon den ganzen Abend darüber nach, wer wohl das Rad vor mir besessen hat, und ob diese Person vielleicht auch manchmal daran denkt, wo das Rädchen nun gelandet ist. Schon allein deshalb muss ich mir Mühe geben.

Nachtgrüße!
Anna

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 19.01.2015, 06:39
von Fiall
Eine sehr schöne Geschichte und es ist erstaunlich zu hören, dass noch Kulturen existieren, in denen Geschenke noch sind, was sie sein sollen: Ohne erwartete Gegenleistung.

Mit Charkas kenn ich mich leider auch nicht aus, aber du kommst mittlerweile ja auch zurecht damit.

Was die Freude für den jungen Mann betrifft: Mir viele da spontan was immaterielles ein. Du sagst ihr habt kulturelle Spannungen. Wie wäre es, wenn du dich mit seiner Kultur auseinandersetzt? Das könnte die Spannungen zwischen euch minimieren und würde ihm doch sicher Freude bereiten.

Ich hätte nun auch nicht gewusst, dass ein Inder es als Beleidigung ansieht, wenn man nur fragt, was man als Gegenleistung erbringen könne. Wir machen hier zwar auch großes Gewese, sind dann aber eher beleidigt, wenn das nich ignoriert wird und dennoch ein Gegengeschenk erfolgt.

Könnte mir vorstellen, dass er sich, über deine Bemühungen, freut. Ist auf jeden Fall ein feiner Kerl. Den würd ich als Schwiegersohn behalten. ;-)

Re: Charkha eingeflogen

Verfasst: 19.01.2015, 07:59
von Arachnida
Anna hat geschrieben:Eben habe ich ein Video angesehen, in dem es um das gleiche Rad geht. Da zeigt sich, dass ich anscheinend die Spindel falsch herum aufgelegt habe; die Spitze zeigt nach unten, nicht nach oben. Das bedeutet, dass ich mit der Rechten drehen und mit der Linken spinnen muss, sonst zeigt die Spindelspitze von mir weg. Hoffentlich wird das noch was. :fear:
Ja, das Problem kenne ich ... ich hätte mir ja auch schon ein Charkha gekauft, wenns genau seitenverkehrt wäre. Wenn ich im langen Auszug spinne dann ziehe ich mit rechts aus, mit links kann ich gar nicht.

Was das pimpen betrifft; Du kannst ruhig noch ein wenig glätten und schleifen, auch damit dir keine Fasern am Holz hängen bleiben wenn du mal rankommst.
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