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Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 29.05.2012, 21:32
von Fortuna
Hallo ihr lieben,
ich hoffe, das Thema gibt es bei euch noch nicht, wenn ja verzeiht es mir, bin ein Neuling, und kann noch nicht suchen, die googlesuche ergab auch nichts bei euch im forum. Da gabs nur Reisespinnräder...
Ich sehe immer wieder Leute, die ihre Spinnräder mit auf Mittelaltermärkte nehmen. Dass es nicht wirklich authentisch ist, ist klar, aber das macht ja nichts.
Trauen würde ich mich nicht, eins meiner Räder mitzunehmen, verziehen die sich denn nicht durch die Feuchtigkeit bei Nacht? Ich kann mir kaum vorstellen, dass es den Rädern gut tut. Oder gibt es da Tips und Tricks, wie man sie vor Schaden bewahren kann?
Radquälerei oder Dünnhäutigkeit von mir?
Liebe Grüße, Fortuna

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 29.05.2012, 21:42
von shorty
Also die Sache mit dem authentisch ist klar, sind sie nicht wirklich.
Ich hab ja ein Reisespinnrad, dass hat bisher Temperaturen von -8 Grad über Stunden am Weihnachtsmarkt der Münchner Residenz als auch plus 40 Grad auf Murter Kroatien schon klaglos hingenommen.
Für mich ist ein Spinnrad ein Arbeitsgerät, kein Ausstellungsstück. ;-)
Vermeiden sollte man direkte Nässe, wie wohl bei allen Holzsachen, aber ansonsten....
Wir haben auch schon unterm Pavillon gesponnen bei strömendem Regen.
Ist nun nicht so pricklend, mein Rad läuft aber noch :-)

Karin

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 29.05.2012, 21:49
von spulenhalter
Die Spinnräder bestehen aus Holz. Holz mag vor allem Nässe nicht, also direkten Regen oder im Wasser stehen.

Die normale Luft-Feuchtigkeit macht einem Spinnrad meist nichts.

Um es etwas besser gegen Feuchtigkeit zu schützen wäre eine Behandlung mit Möbelpolitur oder Wachs vor extremen Außeneinsätzen natürlich sinnvoll.
Ansonsten, es sind Arbeitsgeräte, wenn auch schöne Arbeitsgeräte und nicht nur Zierobjekte.

Übrings, dein Auto rostet auch bei Regen, gehst du deshalb bei Regen zu Fuß?? ;)

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 29.05.2012, 22:05
von Schlompfine
Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe... Spinnräder waren teils sogar verboten, weil die daraus resultierenden Fäden eine schlechtere Qualität hatten als die aus der Handspindel. ich weiß auch nicht mehr, zu welcher Zeit das war... Wenn ich das nicht vergesse, frage ich mal eine Freundin, die macht eine Flachs- und Seidenspinnerdarstellung im Spätmittelalter. Die weiß da vielleicht was.

Ansonsten... solange das keine Veranstaltung auf Museumsniveau ist, finde ich Spinnräder auf den Märkten nicht ganz so verkehrt.

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 29.05.2012, 22:09
von shorty
Zu den Verboten
... Zitat...Spindelräder gabs auch in Europa schon früher, da bereits 1224 in Venedig, 1280 in Speyer usw ein Verbot dagegen erlassen wurde.

Wobei das mit der Qualität dahingestellt sei ;-) bzw. bestimmt nicht der alleinige Grund war. Die Handspindler fürchteten einfach auch die Konkurenz
Karin

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 29.05.2012, 22:10
von Schlompfine
Ha, ist zwar nur Wikipedia (also nicht ganz unbedenklich), aber trotzdem:

Das Spindelspinnrad gelangte gegen Ende des 12. Jahrhunderts aus dem orientalischen Raum nach Europa. Es begann sich im 13. Jahrhundert in Mitteleuropa zu verbreiten, wie die Quellenlage anhand von Verboten, das Spindelspinnrad zu verwenden, für die Zünfte der Tuchmacherei aufzeigt[1].
Folgende Verbote sind bspw. belegt: 1224 Venedig, 1256 Bologna, 1268 Paris, 1280 Speyer, 1288 Abbeville, 1292 Siena, 1305 Douai. In der Handwerksordnung der Weber von Speyer wird es ausdrücklich nur für die Herstellung von Schußgarn zugelassen.
Der Grund für die Beschränkung auf Schußgarn ist in der Forschung umstritten[2]. Die Verbote könnten erlassen worden sein, um die hohe Qualität des mit Handspindel erzeugten Wollgarns zu schützen. Beispielsweise steht im sog. Livre des metiers aus Brügge (ca. 1349), dass mit dem Spindelspinnrad gesponnene Wolle generell zu schwach, ungleichmäßig, ungenügend gezwirnt und zu knotig sei. Das Spindelspinnrad blieb in manchen Regionen noch bis ins 15./16. Jahrhundert für die Zünfte verboten.

Spinnmaschinen-Entwurf von Leonardo da Vinci
Der erste bildliche Nachweis eines (noch handgetriebenen) Flügelspinnrads stammt erst aus dem Jahr 1480. Der Erfinder dieser völlig neuen Funktionalität des Spinnflügels ist unbekannt. Leonardo da Vinci entwarf etwas später einen Spinnmechanismus mit längsbeweglichem Spinnflügel, der aber wohl nicht zur Verbreitung kam. Ein Fußtritt ist ab der Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt.
Als Vorlagen für die ersten mechanischen Spinnmaschine des 18. Jahrhunderts dienten beide o.g. Spinnradsysteme. Die etwas ältere Spinning Jenny fußt auf der zweistufigen Absetz-Technik der einfachen Spindel, die fast zeitgleich entwickelte Waterframe verwendete dagegen Spinnflügel.

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 12:57
von Klara
Der Wikipediaartikel stimmt mit meinen Infos (aus Büchern) überein.

Ich glaube gerne an die mindere Qualität des mit dem Spindelrad gesponnenen Garnes - meine Charkha-gesponnene Baumwolle hat auch gerne zu wenig Drall. Geht mit Spindelrad ganz einfach, weil ja kein Zug auf dem Garn ist. Während ein Garn, das den Zug einer Fallspindel aushält schon nicht ganz so schwach sein kann.

Zum eigentlichen Thema: Mein Mazurka stand auch schon im Regen (eigentlich unterm Marktschirm, aber der hilft nur, wenn das Wasser senkrecht fällt) und hat's überlebt. Das Rad ist allerdings lackiert und hat Gummischuhe. Schwankungen der Luftfeuchtigkeit sind übrigens in alten Häusern auch ganz gewaltig...

Ciao, Klara

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 13:00
von faserrausch
naja, mein teuerstes modenes Rad würde ich ja nicht mitnehmen, aber ein "mittelalt" aussehendes, altes Möhrchen unbesehen.

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 14:59
von shorty
Dabei würd ich vermuten tuts dem modernen weniger als dem mittelalten ;-)
Mein Lendrum hat schon viel aushalten müssen, sieht man mittlerweile auch, wenn ich mit fazzos und Reginas vergleiche,ich bin da wenig zimperlich.
Wärs kein Spinnrad geworden ;-)
Ich glaub im übrigen nicht, dass mein Lendrum mal für spätere Generationen erhalten bleibt ;-)

Karin

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 15:41
von Eurasierwolle
Meine "Ella" von Tom Walther ist dank Hartöl-Behandlung auch sehr belastbar und wetterfest! Für einen Mittelaltermarkt wäre das moderne Design allerdings etwas ungeeignet... :D - aber Ella hat schon einige Open-Air-Auftritte an der Nordsee ("Westküstenpark") hinter sich und läuft immer noch wie geschmiert. Ich denke da wie Shorty, mein Spinnrad ist ein Allround-Arbeitstier! Rein ins Auto, raus aus dem Auto, Ella muss fast überall mit hin!

Viele Grüße
Cornelia

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 17:48
von Kattugla
Meine alte Dänin ist ein unverwüstliches Veranstaltungsviech. Dank der Bauweise (keine Lederlaschen, sondern stabile Lagerung von Tritt und Knecht) hält die auch dutzendweise grobmotorische Kinderbeine aus - die kräftetechnisch bei dem grossen Schwungrad und dem Versuch, gaaaaanz schnell zu treten, auch gaaaanz schnell scheitern. :D
Bei der mache ich mir überhaupt keine Gedanken, ob drinnen oder draussen - nur ein Regenguss muss halt ned sein. Aber den mag ich auch nicht auffem Kopp. :)
Heisst: zu Vorführungen (Hobbymärkte, Hoffeste, Vorführungen) kommt die immer mit. Nach 80 Jahren arbeitet da auch kein Holz mehr, und schlimmer als der Zustand, in dem ich sie gekauft habe, kann es kaum werden.

Meine bessere Hälfte und ich sind ja nun sommers öfter auf Märkten unterwegs - da wir limeszeitlich unterwegs sind - also nix Mittelalter, Antike! - fällt für mich die Frage eh aus.
Ich sehs aber öfter bei Lagernachbarinnen und das ein bizzele ambivalent.
Wenn die Info mitgeliefert wird, dass es sich bei der hochmittelalterlichen Dame mit dem Spinnrad um einen Anachronismus aus praktischen Erwägungen handelt und das Ganze gleich mit einem (naja, augenzwinkernden) Kurzabriss über die Geschichte des Spinnrads einhergeht: warum nicht. Klar, Brille geht ja auch und so manches andere. Ist schon okay.

Ich hab nur halt ein grundsätzliches Problem, wemmer sich zwar um möglichst geschichtsnahe Darstellung bemüht, dann anderseits aber bei Spinnrad und Steckstuhl (afrikanisches Sitzmöbel des 20. Jhd, gerne als "Wikingerstuhl" verkauft) faule Kompromisse macht.
Ich geniesse es mittlerweile, auf das Handspindelchen angewiesen zu sein und die Touristen verblüfft gucken zu lassen, wenn ich damit aus schnöder Landschafwolle Nähgarn mache.

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 18:14
von FrauHollunder
Also mein Leichtlen Rat hat schon mal ein Tag im Stall gestanden es war kühl, hohe Luftfeuchte und co. Das einzige was ich jetzt noch mache ist ein Teppich unter das Rad legen einfach zum Schutz, und irgendwie sehen die Besucher das es wie eine "verbotene" Zone ist, unbewußt. Man hält mehr Abstand zum Rad und kann so alles besser sehen. Über Nacht würde ich eine Decke oder ein Tuch darüber legen. Regen mag kein Holz das ist klar.

Was Spinnräder auf MA Märkte angeht. Ja das ist so eine Sache, darüber kann man Diskutieren. Bei einer Musealen AAA Darstellung ein absolutes no go. Auf einem Markt mit erklährung (da halte ich es wie Kattugla) auch ok, ich trage auch meine moderne Brille in Gewandung weil ich Kontaktlinsen nicht ausstehen kann.
Wobei mehr Aufmerksamkeit hat man mit Handspindel als mit Spinnrad. Weil Spinnrad kennt jeder...Handspindel dagegen weniger. ;-)

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 30.05.2012, 19:51
von Fortuna
danke für die vielen Antworten und den geschichtlichen Anriss :)
Jaja, das leidliche Thema Steckstuhl (oder wie ich gehört habe nicht nur Sitzmöbel, sondern auch Gebärstuhl). Da hat jeder seine Meinung dazu, wie auch zu dem Spinnrad auf den Märkten. Kommt ja auch darauf an, was man darstellen möchte und wie wichtig einem die Authentizität ist. Da könnte man vermutlich ein eigenes Thema anleiern und ewig diskutieren :D Bin auch Brillenträger... den Staub will ich mir mit Kontaktlinsen nicht antun.
Spannend finde ich, dass die meisten von euch offensichtlich mutiger mit ihren "Arbeitstieren" sind als ich. Vllt sollte ich auch mal mutiger sein und ein Rad einfach mal mit nach draussen nehmen... das Argument mit der schwankenden Luftfeuchtigkeit in Gemäuern überzeugt mich. Das haben wir hier auch, und trotzdem gammeln mir meine Räder nicht weg oder verziehen sich.
Trotzdem werde ich auf Märkten bei Handspindeln bleiben, einfach aufgrund des Packmaßes und der Authentizität.
Aber vllt traue ich mich jetzt, mein älteres Rad mal spazieren zu fahren! Mit Unterlegdecke und Überwurf sollte da wirklich nicht viel passieren, danke für die Tips!
Liebe Grüße, Fortuna

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 31.05.2012, 13:04
von Klara
OT: Ich bin auch Brillenträger, aber wenn ich jemals eine historisch echte Darstellung machen wollte, würde ich die doch glatt abnehmen. Dann hätte ich nämlich endlich einen guten Grund, die Leute, die mir über den Weg laufen, nicht zu erkennen ;) (extrem kurzsichtig).

Ciao, Klara

Re: Spinnrad mit auf einen Mittelaltermarkt nehmen?

Verfasst: 31.05.2012, 13:43
von FrauHollunder
Klara hat geschrieben:OT: Ich bin auch Brillenträger, aber wenn ich jemals eine historisch echte Darstellung machen wollte, würde ich die doch glatt abnehmen. Dann hätte ich nämlich endlich einen guten Grund, die Leute, die mir über den Weg laufen, nicht zu erkennen ;) (extrem kurzsichtig).

Ciao, Klara
:totlach: :totlach:
Ja das wäre hoch historisch :totlach: :totlach: