Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

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Moderator: Claudi

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Hummelbrummel
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Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von Hummelbrummel » 31.07.2011, 22:04

Hallo Zusammen,

dieses Spinnrad stand bei Ebay uns sagte zu mir: "Kauf mich, sonst komm ich in den Ofen!"
Leider war Nürnberg weit weg..... Aber an dem Tag, an dem die Auktion zu Ende ging, hörte ich zufällig, dass mein Dad tags drauf nach Nürnberg fahren wollte, und so musste ich mich doch erbarmen :) . Er brachte mir dann das Rad mit, dazu noch ca ein Kilo Wolle, (ca 600g graue Wolle und andere beschriftete Tüten à 100g gepackt, Neuseeland-Lamm, Coburger Fuchs und noch mehr...) Die gabs noch mit dazu (wobei es meinem alten Herrn peinlich war, für das alles nur 1.- zu bezahlen und er sich etwas großzügiger zeigte.)

Ich habe das Rad Walburga genannt.

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Dreierlei steht fest: Es wurde damit (viel?) gesponnen. Ich muss es wohl erst etwas restaurieren, bis es ein Arbeitstier wird. Es ist ein sehr originelles Rad (oder?).

Das Radlager scheint fleißig geschmiert worden zu sein. Ich habe gelesen, dazu hätte man Gänseschmalz verwendet. Ob das Gänseschmalzspuren sind?

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An den Spulenlagern sieht man, dass offensichtlich mit beiden Flügeln und Spulen gearbeitet wurde. Interessant finde ich auch, dass die Ornamente/ Verzierungen von hinterer Spulenhalterung, Spannvorrichtung und dem Rest des Rades so unterschiedlich sind.

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Wenn man den Riemen über beide Flügel spannt, bewegt er auch beide.

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Aber ich weiß nicht, ob ich mich trauen soll, mit beiden zu spinnen (abgesehen davon, dass ich den langen Auszug nicht kann.), denn es könnte sein, dass die Flügel kollidieren.

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Vielleicht sind auch nur die Spulenachsen verbogen und man kann es geradebiegen. Traue ich mich das?
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Auf dem Bild oben sieht man auch ganz gut das Lederlager für die Spulenachse.

An der vorderen Flügelhalterung fehlen die Lager. Ich vermute, es werden auch Lederlager gewesen sein und werde wohl welche einkleben. So ist die Reibung jedenfalls sehr hoch und es lässt sich nicht bremsen (was in dem Zustand zwar nicht nötig ist, aber ich denke, es gehört eigentlich anders.)
Seht Ihr das auch so, dass die glatte Lederseite nach oben - also als Kontaktfläche für die Flügelachse - kommt?

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Interessant finde ich die Einzugslöcher. Sie sind mit irgendetwas gefüttert, es könnte Horn sein.

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Leider ist das Schwungrad nicht intakt. An einer Stelle ist der Dübel gebrochen und alle Speichen flutschen sowohl an der Achse als auch zur Felge lose herum.

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Eine Spule ist leider auch am Spulenteller eingerissen, ich weiß gerade gar nicht, ob man das auf einem Foto sieht.

Am meisten Arbeit dürften mir wohl die Holzwürmer machen. Seit das Rad bei mir ist, steht es auf einer dunklen Unterlage und ich habe kein Mehl gesehen, bin mir aber dennoch nicht sicher, ob es nicht doch noch bewohnt ist. Am schlimmtsen ist es dort betroffen, wo der Tritt befestigt ist, aber leider auch sonst überall ein bisschen, sogar an einem Flügel und einer Spule.

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Diese Plastikscheiben zwischen Tritt und Korpus scheinen mir zum Einen nicht original zu sein, zum Anderen verändern sie den Winkel des Trittes ungünstig, so dass ich sie wieder rausnehmen werde. Den fehlenden Stift an der Achse muss ich auch ergänzen.

Eure Tipps zum Umgang mit Holzwurm habe ich schon gelesen, bin aber noch etwas unschlüssig, wie ich nun genau vorgehe. Das ganze Spinnrad ist nur zusammengesteckt, ich könnte es also zerlegen und zumindest alles, was klein genug ist, in den Backofen tun. Aber ich habe doch Sorge, dass das dem Holz nicht so ganz bekommt.


Trotz alledem freue ich mich an dem Rädchen und bin zuversichtlich, dass es eines Tages wieder fröhlich laufen wird.

Viele Grüße, Hummelbrummel

PS: Fall jemand von Euch ein historisches Rad mit einer vergleichbaren, ledergelagerten Flügelbremsenvorrichtung hat, würde ich mich über ein Foto freuen, um mal zu sehen, wie so was aussieht. Ich vermute, eine Schnur wird über das Leder, dann durch das Loch nach untern gezogen und unten in das Loch des "Wirbels" gefädelt und dann da gespannt, bin mir aber nicht ganz sicher.
Zuletzt geändert von Kimara am 31.07.2011, 22:34, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: 2. und 3. Fred gelöscht :) - LG Kima

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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von fischerin » 31.07.2011, 23:45

Ein schönes Rad, ich fülle Holzwurmtod in eine Spritze und behandle Loch für Loch, danach mit Holzkitt verschließen, dann sieht man keine Löcher mehr, und falls doch, lebt da noch einer, dann nochmal von vorn, mit etwas Geduld wird es bestimmt wieder spinnen, vielleicht ersteinmal mit einem Flügel,

gutes Gelingen!!

LG Heike

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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von Woelfin » 01.08.2011, 08:52

Schönes Rad, da hast du erstmal noch einiges an Arbeit.
schöne Grüße
Heike

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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von Nordpolarbaer » 01.08.2011, 10:43

Originelles Rad und für 1€ konntest Du nicht viel falsch machen.
LG

Astrid


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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von Sidhe » 01.08.2011, 11:16

Schönes Stück deine Walburga :gut:
ich wünsch dir viel Erfolg beim Restaurieren und drück dir die Daumen im Kampf gegen die Holzwürmer :D

Find ich auch gut von deinem Vater, dass er etwas großzügiger war - schon wegen der Wolle war das ja mehr als angebracht :) das würden glaub ich nicht mehr viele machen....
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Unbemerkt kommt alles, was Dauer haben wird."

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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von thomas_f » 01.08.2011, 11:33

Ein sehr interessantes Rad :) .

- Flügelachsenbiegen ist ein etwas riskanter Sport. Sind die einzelnen Flügel in sich denn gut ausgewuchtet oder ist da wirklich etwas verbogen? Das kann man auf den Bildern nicht gut erkennen. Ein erster etwas ungenauer Test: wenn du sie auf zwei halbwegs waagerechte Leisten legst, eine am Einzug und eine hinten: bleiben sie dann in jeder Position liegen oder ist ein Arm schwerer als der andere? Haben beide Fügelarmspitzen die gleiche Entfernung von der Achse? So wie sie jetzt sind, würde ich sie wirklich nicht gleichzeitig spinnen wollen: Das gibt Kollisionen und Bruch.

- Der wichtigste Schmierpunkt ist die Holz-auf-Holz-Reibung vorn am Flügel. Wenn das da trocken/ungeschmiert ist, kannst du mit dem Rad schneller Feuer machen als ein Pfadfinder, der zwei trockene Holzstücke aneinanderreibt ;) . Ob da ein Lederlager hilft, weiß ich nicht -- ist die Lagermulde denn etwas größer als das Einzugsröhrchen, so dass das Leder Platz hätte? Das Leder müsste gut mit Fett getränkt sein. Evtl. ein schön angepasster Messingblechstreifen als Lager, natürlich mit sehr gut abgerundeten Kanten? Wenn du es Holz auf Holz belassen willst, käme das gute alte Teelicht oder eine andere weiße Kerze als Schmiermittel in Frage -- einfach während der Fahrt auf die Flügelachse halten.

Leder für das Gleitlager würde ich gefühlsmäßig(!) mit der rauhen Seite nach innen benutzen. Die nimmt mehr Fett auf und passt sich besser an, würde ich meinen.

Die Bremse könnte aus einem Stück Bindfaden bestanden haben, das ein Lederstück auf den Flügelstummel gedrückt hat und mit dem Wirbel wie eine Cellosaite gespannt wurde.

Viel Glück + Bastelspaß -- Thomas

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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von Hummelbrummel » 01.08.2011, 20:09

thomas_f hat geschrieben:
Ein erster etwas ungenauer Test: wenn du sie auf zwei halbwegs waagerechte Leisten legst, eine am Einzug und eine hinten: bleiben sie dann in jeder Position liegen oder ist ein Arm schwerer als der andere? Haben beide Fügelarmspitzen die gleiche Entfernung von der Achse?
Danke für den Tipp! das werde ich mal testen. (Momentan habe ich Besuch und das Rädchen muss noch ein paar tage warten.)
thomas_f hat geschrieben: - Der wichtigste Schmierpunkt ist die Holz-auf-Holz-Reibung vorn am Flügel. Wenn das da trocken/ungeschmiert ist, kannst du mit dem Rad schneller Feuer machen als ein Pfadfinder, der zwei trockene Holzstücke aneinanderreibt ;) . Ob da ein Lederlager hilft, weiß ich nicht -- ist die Lagermulde denn etwas größer als das Einzugsröhrchen, so dass das Leder Platz hätte? Das Leder müsste gut mit Fett getränkt sein. Evtl. ein schön angepasster Messingblechstreifen als Lager, natürlich mit sehr gut abgerundeten Kanten? Wenn du es Holz auf Holz belassen willst, käme das gute alte Teelicht oder eine andere weiße Kerze als Schmiermittel in Frage -- einfach während der Fahrt auf die Flügelachse halten.

Leder für das Gleitlager würde ich gefühlsmäßig(!) mit der rauhen Seite nach innen benutzen. Die nimmt mehr Fett auf und passt sich besser an, würde ich meinen.

Die Bremse könnte aus einem Stück Bindfaden bestanden haben, das ein Lederstück auf den Flügelstummel gedrückt hat und mit dem Wirbel wie eine Cellosaite gespannt wurde.

Viel Glück + Bastelspaß -- Thomas
Holz auch Holz habe ich bei meinem Willy-Rad und schon gemerkt, wie heiß es da wird. Da habe ich mit Kerze geschmiert. Die Reibungsflächen sind an Flügelnachse und Achsenlager völlig glatt.
Aber bei "Walburga" habe ich schon den Eindruck, an den Achsenlagern fehlt etwas. Die Spule ist glatt geschliffen, das Achsenlager ist innen rau und "ungeschlacht", scheint mir eher als Klebefläche geeignet, als als Lager. Und die Flügel flutschen auch überhaupt nicht.
Wenn ich es in Holz belassen würde, müsste ich es irgendwie glätten.

Mit der Bremse hätte ich mir das auch so gedacht, wie Du es beschrieben hast. Allerdings haben die "Wirbel" unten, wo sie wieder raus schauen je ein Loch, daneben geht ein Loch von oben bis unten durch diese Holzteil, auf dem Die Flügel aufliegen. Sieht fast so aus, als hätte der Bremsfaden erst durchs Holz und dann unten aufgewickelt gehört. Allerdings habe ich ein bisschen Sorge, dass da etwas bricht. Den Faden oben zu befestigen, ist sicher genauso effektiv und weniger schadensträchtig.

Nun, alles zu seiner Zeit (und davon habe ich schon wieder viel zu wenig! - Aber: Kommt Zeit, kommt Rad in Schwung. )

Viele Grüße und vielen Dank für Eure Antworten!

Hummelbrummel

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Re: Mein neues (altes!) Rädchen - noch nicht so ganz spinnbereit

Beitrag von thomas_f » 02.08.2011, 10:57

Kann es sein, dass diese Flügelhalterungen später gemacht worden sind? Anderes Holz, andere Farbe, merkwürdiges Handwerk? Könnte das mal in einem früheren Leben ein zweifädiges Rad gewesen sein?

Bei genauerem Hinsehen glaube ich, dass du recht hast: Das Lager wird wohl aus Leder gewesen sein, mit je zwei kleinen Schrauben oder Nägeln festgehalten. Die Löcher für die Bremsschnur sehe ich nicht, da glaube ich eher, dass die obenrum gehen sollte.

Beste Grüße -- Thomas

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