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Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 13.04.2011, 09:36
von thomas_f
Hallo zusammen,
beim Lesen einiger aktueller Threads rund um die Antriebstechniken habe ich mich gefragt, ob es denkbar ist, zweifädig ohne Schlupf zu spinnen, also mit fixiertem Drehzahlverhältnis Flügel--Spule.
Es ergäben sich zwei Probleme:
1. die Auszugstechnik wird sich ändern müssen, da der Faden kontinuierlich eingezogen wird. Das ist vielleicht lästig, aber praktisch üb- und machbar.
2. Um einen vom einen bis zum anderen Ende gleichmäßig gedrallten Faden zu spinnen, muss ich das Drehzahlverhältnis nachregulieren können. Bei meinen Spulen z.B. fange ich mit einem Durchmesser der leeren Spule von ca. 19mm an, bei der vollen Spule ist das Garnpaket 85mm dick. Wenn die Spule den Flügel also einmal überrundet, hat sie zu Anfang 60 mm Garn eingezogen, am Schluss mehr als das vierfache, am Schluss hätte das Garn damit nur noch knapp ein Viertel des Dralls wie am Anfang; das geht natürlich nicht an.
Um Abhilfe zu schaffen, hat Tom Walther (vermute ich) an seinem Getriebe die fein abgestuften Durchmesser an der Riemenscheibe, die die Spule antreibt (rechts unten im Bild):
Meine Vermutung ist, dass die Abstufung (a) für viele Fälle noch zu grob ist, und (b) dass die ideale Abstufung je nach beabsichtigtem Drall (tpi) unterschiedlich sein müsste. Wohlgemerkt, für das Spinnen ohne Schlupf.
Meine Berechnung (ob die stimmt?) der Getriebescheibendurchmesser geht von einem Durchmesser von 50 mm für den Anfang aus (leere Spule). Bei einem recht niedrigen Drall von 1 Twist pro cm ergibt sich ein Durchmesser von 44,4 mm für die volle Spule. Bei einem höheren Drall von 10 Twists pro cm muss die Scheibe bei voller Spule 49,4 mm Durchmesser haben, das sind nur 0,6 mm, ohne die der Einzug 4,5 mal so schnell und der Drall am Ende des Fadens 4,5 mal so gering wäre. Bei 20 tpcm wäre der Unterschied nur noch 0,3 mm, usw.
Wenn das also so stimmt, wäre ein zweifädiges Spinnen ohne Schlupf wahrscheinlich nicht sinnvoll und es bliebe dabei, dass der Drall von Augenmaß und Handgefühl bestimmt werden muss.
Oder liege ich doch ganz verkehrt?
Sollte ich recht haben, bedürfte auch die
Seite über den zweifädigen Antrieb auf der Spinnradclub-Homepage der Überarbeitung, wo es heißt:
Die Einstellung des Einzuges kann auf zwei Arten erfolgen. Bei manchen Spinnrädern gibt es Spinnflügel und Spulen mit unterschiedlichen Übersetzungen bzw. mehrere unterschiedlich große Schwungscheiben an einer Spule oder einem Flügel, so kann man durch Verwendung unterschiedlicher Übersetzungen den Unterschied der Laufgeschwindigkeiten von Flügel und Spule und somit den Einzug und die Drehung bestimmen.
Ist solch eine Möglichkeit nicht gegeben erfolgt die Einstellung über die Spannung des Antriebsriemens. Dann sind Spulscheibe und Wirtel unterschiedlich eingekerbt. Die Wirtel hat eine schmale, spitze Kerbe, die den Antriebsriemen auch bei niedrigen Spannungen noch festklemmt, die Einkerbung der Spulscheibe ist abgerundet und flach um bei niedrigeren Spannungen ein durchrutschen des Riemens zu ermöglichen. Wird der Riemen gelockert rutscht die Spulscheibe durch und wird langsamer, während die Geschwindigkeit der Wirtel gleich bleibt.
Beste Grüße -- Thomas
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 13.04.2011, 09:47
von Asherra
Wenn du mal eines in die Finger bekommst, nimm mal ein Majacraft Aura auseinander. Die haben Drallaufbau, Fadenspannung und Fadeneinzugsgeschwindigkeit jeweils auseinander gepflückt und einzeln einstellbar. Mein armes altes Hirn kocht, wenn es sich die Gesetzmäßigkeiten dahinter vorstellen will, aber es sieht nach einer netten Idee aus.
Wahrscheinlich hat das Ding auch genau aus dem "ohne Schlupf" Problem nur so niedrige Übersetzungsverhältnisse. Dann fällt es vielleicht nicht so auf, wenn sich das Spinnverhalten mit vollerer Spule ändert (ok, and man kann die Aufnahme ja nachregeln, es ist ja nicht komplett fest, allerdings wollt ich auch nicht alle paar Meter 3 Knöpfe nachdrehen...)
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 13.04.2011, 09:51
von frieda
Ohne nennenswert wissenschaftliche Erwägungen und rein empirisch: Ich habe für mein Tom (noch ganz classic das alte ohne Vario und chichi) auch mal den Gummiriemen für das zweifädige Spinnen ausprobiert und muß sagen, daß ich das absolut ätzend fand. Zweifädig ist mir nur mit einem potentiell schlupfenden Antrieb angenehm. (mal ganz abgesehen davon, daß ich eigentlich ohnehin lieber einfädig spinne)
Grüßlis,
frieda
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 13.04.2011, 13:01
von Beyenburgerin
Beim Ella ist der zweifädige Antrieb genau passend. Man kann dort allerdings mit der Höhenverstellung den Einzug auch regulieren, je nach Tagesform.
Göga hat mir ein Umbauteil für Anna zweifädig gebastelt, das dort, wo es ins Spinnrad "eingehängt" wird, einen Langschlitz hat. Dadurch kann ich die Spannung variieren. Ebenso durch zwei Rollen auf der vorderen Wirtelseite fürs zweifädige Spinnen.
Beim zweifädigen Spinnen kann man auch faul sein und die Einzieherei dem Spinnrad überlasse und nur noch die Fäden dirigieren. Das kann auch recht angenehm sein.
LG Brigitte
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 13.04.2011, 13:31
von thomas_f
Wahrscheinlich hat das Ding auch genau aus dem "ohne Schlupf" Problem nur so niedrige Übersetzungsverhältnisse. Dann fällt es vielleicht nicht so auf, wenn sich das Spinnverhalten mit vollerer Spule ändert (ok, and man kann die Aufnahme ja nachregeln, es ist ja nicht komplett fest, allerdings wollt ich auch nicht alle paar Meter 3 Knöpfe nachdrehen...)
Nö, da geht was durcheinander: Die Übersetzungsverhältnisse von Tritt/Schwungrad einerseits zu Spinnkopfdrehzahl andererseits, also letztlich die Flügeldrehzahl, spielen bei der Frage absolut keine Rolle. Es geht einzig um das Verhältnis Flügel--Spule.
Wenn ich das Aura richtig verstanden habe, kann man damit machen, was man an jedem zweifädigen Rad mit verschiedenen Wirteldurchmessern prinzipiell auch machen kann: Die Spannung der Antriebsschnur erhöhen, bis kein Schlupf mehr passiert und das Garn erbarmungslos eingezogen wird -- zu Anfang langsam, bei voller Spule schnell -- und durch die Wahl unterschiedlicher Wirtel eine andere Einzugsgeschwindigkeit wählen; sobald man Schlupf zulässt, handelt es sich dabei um die
maximale Einzugsgeschwindigkeit, die man erreicht, wenn man das Garn nicht zurückhält. Mehr nicht, und keine Zauberei. Ach ja, unabhängig davon kann man noch die Gesamtgeschwindigkeit (Antriebsverhältnis) einstellen, aber die ist ja für das Prinzip uninteressant. Letzteres geht bei traditionellen zweifädigen Rädern nur bei gleichzeitigem Ändern der (maximalen) Einzugsgeschwindigkeit.
Die geringe vorgesehene Gesamtgeschwindigkeit beim Aura hängt mit dem riesigen Spinnkopf zusammen, der würde, wenn die Spule ein bisschen voller wird, ganz nett ins Vibrieren kommen.
Beste Grüße -- Thomas
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 13.04.2011, 13:34
von thomas_f
Beim zweifädigen Spinnen kann man auch faul sein und die Einzieherei dem Spinnrad überlasse und nur noch die Fäden dirigieren. Das kann auch recht angenehm sein.
Hast mich durchschaut

Es geht aber halt eben doch nicht, wenn man gleichmäßigen Drall vom einen Ende des Fadens (leere Spule) bis zum anderen (Spule voll) möchte, oder?
Beste Grüße -- Thomas
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 14.04.2011, 13:22
von Klara
thomas_f hat geschrieben:
1. die Auszugstechnik wird sich ändern müssen, da der Faden kontinuierlich eingezogen wird.
Ich finde ja schon immer, dass zum zweifädigen Antrieb am besten der kurze Auszug passt (schreibt Hentschel übrigens auch - der baut für den langen Auszug um auf Spulenbremse). Da wird das Garn genauso kontinuirlich zugeführt, wie es eingezogen wird.
Dann fällt mir auf, dass die meisten alten zweifädigen Räder ziemlich kleine Spulen haben - also mit ziemlich wenig Durchmesserunterschied zwischen leer und voll. Vielleicht aus gutem Grund (und nicht nur, weil man nicht ewig spinnen wollte, bis die Spule mit nähfadendünnem Flachs voll war).
Asherra hat geschrieben:Mein armes altes Hirn kocht, wenn es sich die Gesetzmäßigkeiten dahinter vorstellen will.
Genau so geht's mir auch. Weshalb ich die Seiten zum zweifädigen Antrieb bei Amos immer noch nicht gelesen habe (das Buch würde ich dir dringend empfehlen, Thomas, aber meines kriegst du nicht, die restlichen 320 oder so Seiten verstehe und mag ich nämlich). Aber zum Glück geht's ja auch ohne verstehen, es reicht, wenn rumprobiert bis man das gewünschte Ergebnis kriegt ("Augenmass und Handgefühl" funktionieren ja seit ein paar 100 Jahren am Spinnrad und seit Jahrtausenden an der Spindel). Oder gleich einfädig spinnt - das verstehe sogar ich
Ciao, Klara
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 11:22
von thomas_f
Ja, der Alden Amos.

Das Buch ist vorige Woche bei mir angekommen und hat mir schon einige hochvergnügliche Viertelstunden beschert. Der Abschnitt über den zweifädigen Antrieb ist unnötig kompliziert, weil er immer die Geschwindigkeit des Schwungrads bzw. die Trittgeschwindigkeit mit einbezieht. Die ist für die Rechnerei Einzugsgeschwindigkeit -- Drall -- Spulendurchmesser aber wirklich völlig wurscht. Einen großen Teil seiner Besprechung nimmt dann das Hohelied vom Schlupf ein. (Meine Diktion hat auch schon gelitten, Vorsicht mit dem Buch!

)
Mit den kleinen Spülchen der alten Räder hast du sicher recht. Ein weiterer Grund ist, dass unvermeidbare kleine Unwuchten sich viel stärker bemerkbar machen, je schneller sich die Sache dreht und je größer der Durchmesser ist. Leichter sind die kleinen Dinger auch und die kleinen Flügel bieten weniger Luftwiderstand, der ja bekanntlich mit dem Quadrat der Geschwindigkeit steigt.
Beste Grüße -- Thomas
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 13:18
von versponnen
ich verstehe den sinn dieser diskussion nicht,
ich spinne seit 35 jahren immer zweifädig mit schlupf..und egal welche übersetzungen..es ist wunderbar leicht zu regulieren beim spinnen und bekomme das garn genauso so wie ich es möchte.
.gerade bei langem auszug ist der schlupf ideal...
und gute schnur aus baumwolle oder leinen oder wolle..alles geht...es braucht schlicht übung..
das kommt mir so vor, als wenn du als koch nicht kochen kannst mit nicht perfekten kochgeschirr.
.ein guter koch kommt mit allem sehr gut klar..
.die übung und das wissen und besonders das einfühlungsvermögen in spinnrad..trittweise..fasergefühl..da geht jedes spinnen ohne probleme.
ich denke unsere vorväter und mütter haben wunderbare fäden spinnen können,
,das geschick und die koordination machen es aus..
also ich habe viel mit physik und technik zu tun gehabt..
.aber beim spinnen geht es am besten ohne den ganzen kram.
..man kann sicher optimale verhältnisse von spule und spinnrad und garn und spinnflügel haben..
aber wer könner ist,,der kommt mit jedem rad zu sehr guten ergebnissen.
gerade ich habe immer langen auszug sehr gut auf zweifädigen spinnen können..
ich habe alle spinnbücher und hefte zur seite gepackt...sie verwirren mehr..übt einfach
unterschiedlichst zu spinnen.
man braucht schlicht dann noch5- 10 jahre ständiges regelmässiges trainieren von spinnweisen,
die man meint nicht zu können...
dann haben hand-gehirn und bein-koordination es gelernt..aber sich herausfordern..auch reißende fäden in kauf nehmen..
aber der eine lernt es nie, weil er es bequem zurechtgelegt haben will, der andere fordert sich und übt..
manch einer hat nie die koordination,weil er zu früh aufgibt,,,so wie jonglieren lernen..
so wie beim schreiben lernen..das übte ein schulanfänger nur durch tägliches training..selbst...und wirklich viele heftseiten voll...
.nur so lernt man es..und stellt und wechselt die spannung., die fasern ,die spinnaufgaben..
..ist so einfach bei doppelfädigem rad..man kann alles ohne irgendwelche rechenexampel..
liebe grüße aus der ecke...lernen durch üben...gruß wiebke
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 14:11
von Klara
Bocuse würde dir was husten, wenn wenn er mit einer verbeulten Blechpfanne und einem stumpfen Messer arbeiten sollte. Werkzeug MUSS funktionell sein - nicht unbedingt teuer, nicht unbedingt Markenware, aber funktionell. Und haltbar...
Und nur dass man was "schon immer so gemacht hat" muss noch lange nicht heissen, dass es nicht bessere Methoden (durchgehende Kleinschreibung gehört NICHT dazu, nur mal nebenbei) oder besseres Werkzeug gäbe. Ich find's Klasse, dass sich bei Spinnrädern immer noch (oder wieder) was tut. Es gibt heute neue Materialien, neue technische Möglichkeiten - wäre doch schade, die nicht auszunützen. Sonst könnte man ja sagen, dass eigentlich schon die Erfindung des Spinnrads völlig überflüssig war - immerhin haben Spindeln so ca. 20.000 Jahre lang alle benötigten Fäden gesponnen.
Was das Lernen angeht: Es mag ein paar Naturtalente geben, die alles "von ganz alleine" kapieren, oder es sich einfach abschauen können. Aber ich z. B. übe effektiver wenn ich weiss, WAS ich da eigentlich üben soll. Und wie. Und was für einen Faden ich produzieren will, und warum. Die langjährigen, nicht-denkenden Spinnerinnen, die ich bis jetzt gesehen habe, beeindrucken mich nicht. Bestenfalls haben sie ein Standardformat, das sie gut beherrschen und bei dem sie bleiben. Und wirklich tragisch finde ich, wenn jemand Spinnkurse gibt aber keine Ahnung hat, wie ein Spinnrad funktioniert - dann kann er (d. h. meistens eher sie) nämlich die Arbeit dem Anfänger auch nicht leichter machen oder sehen, wo's gerade hakt.
Ciao, Klara
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 14:34
von shorty
Ich denke , Spinnradbau und auch das Spinnen an sich verändert sich, sind kein Monument in Stein gemeißelt.
Ich finde gut, wenn sich jemand Gedanken zur Technik macht.
Es bringt neue Aspekte hervor.
Wenn dem nicht so wäre, gäbe es heute keine Wooleewinder, und keinen Sliding Hook.
Auch kein Walthersches Vario System.
Der eine mag gerne auf zweifädig spinnen, der andere nicht.
Die Lernmethodik ist unterschiedlich. Der eine kann das besser aus Büchern mit Technikhintergrund, der andere durch jahrelang üben.
Ich halte es da mehr wie Klara.
Sicher sollte man seine Gedanken fliessen lassen, aber bestimmte Techniken lernen sich definitiv leichter, wenn man ein bißerl mehr von der Radtechnik weiss.
Manches ergibt sich ganz einfach aus der Bauweise, auch wenn es zudem Fingerspitzengefühl braucht. Ich denke nicht, dass dafür zwingend ein Lernprozess von 5 - 10 Jahren notwendig ist.
Unsere Vorgänger hatten uns gegenüber einen entscheidenden Vorteil, sie lernten wie so viele von uns spinnen nicht als Erwachsene.
Vieles an Wissen, auch zum Spinnen wurde einfach mündlich überliefert.
Im übrigen ist die Schere an unterschiedlichen Spinnradtypen heute viel größer als früher. Man bekommt so gut wie jeden Spinnradtyp überall auf der Welt.Da halte ich es für sehr kühn zu sagen, jeder Fortgeschrittene ( ich spare mal Könner aus) muss mit jedem Rad können.
Das halte ich für nicht richtig, weil bestimmte anatomische Gegebenheiten nicht durch Üben abzuändern sind.
Ein hoch auf die Spinnradbauer und Tüftler, die sich was neues einfallen lassen, ich finds spitze!!
Karin
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 15:28
von frieda
versponnen hat geschrieben:i
so wie beim schreiben lernen..das übte ein schulanfänger nur durch tägliches training..selbst...und wirklich viele heftseiten voll...
Aber das Alphabet sollte er schon kennen, sonst nützt ihm das ganze Üben nix. (Übrigens, Deine Punkt-Taste scheint zu prellen.)
Ich halte es mit meinen Vorschreiberinnen, daß man schon wissen sollte, was man warum tut. Dann kann man immer noch die motorischen Abläufe durch Üben verbesern.
Grüßlis,
frieda
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 16:13
von thomas_f
Immer mit der Ruhe, Wiebke, ich kann durchaus zweifädig mit Schlupf spinnen und tue das auch gern, wenn auch fast nur im kurzen Auszug, den ich lieber mag und der mit unserem selbstgemachten Kammzug auch viel besser funktioniert. Leider habe ich nur ein altes zweifädiges Rad, das nun auch noch verliehen ist und arbeite gerne auch auf dem spulengebremsten E-Spinner. Bei dem momentanen Projekt und unserer extrem reißfesten Wolle ist das kein Problem, und bei einem guten E-Spinner kommen einige Vorteile des zweifädigen Antriebs eh nicht zum Tragen.
Wie ich eingangs schon schrieb:
beim Lesen einiger aktueller Threads rund um die Antriebstechniken habe ich mich gefragt, ob es denkbar ist, zweifädig ohne Schlupf zu spinnen, also mit fixiertem Drehzahlverhältnis Flügel--Spule.
das war erstmal eine ganz theoretische Frage. Wen die nicht interessiert, oder wer sich von sowas verwirrt fühlt, der braucht sie nicht zu diskutieren. Und auch nicht -- was heißt "jump to conclusions" auf deutsch? was meine (bestimmt ausbaufähigen) Spinnfähiglkeiten angeht, um die es bis dahin überhaupt nicht ging.
Ich bin rein rechnerisch zu der Antwort gekommen "nein, das klappt wahrscheinlich nicht, wenn der Drall auch nur halbwegs gleichmäßig sein soll." Ganz unabhängig übrigens vom Geschick des Spinners.
Aus der Praxis schrieb dann Brigitte, dass sie es trotzdem ab und zu tut, wenn ich sie richtig verstanden habe:
Beim zweifädigen Spinnen kann man auch faul sein und die Einzieherei dem Spinnrad überlasse und nur noch die Fäden dirigieren. Das kann auch recht angenehm sein.
Hmmmm. Was, aus der Praxis, ist das Ergebnis? Ein gleichmäßiger Faden?
Der Hintergrund meiner Frage war, dass Tom Walthers Getriebe (s. Bild) zwar zweifädig antreibt, mir aber nicht ins Auge fällt, wie er den Schlupf sorgfältig regulieren will oder ob er überhaupt Schlupf eingebaut hat; das ist ja mit den PUR-Riemen nun mal nicht so sanft möglich wie bspw. mit einem Baumwollfaden.
Dass die Frage nach dem Schlupf nicht überall so klar beantwortet wird wie von Amos, Wiebke, mir und den meisten anderen hier, sieht man bspw. auf der
Kaufberatungsseite für gebrauchte Spinnräder der Henkys, wo es heißt:
Bei den meisten alten Spinnrädern ist eine wirklich fachkundige Anleitung für Anfänger wichtig. Dies gilt besonders für Spinnräder, die zweifädig angetrieben werden [...]
Mit dem "zwingenden Einzug", (sowohl die Spule, als auch der Flügel werden angetrieben ), kommen Anfänger zumeist schlecht oder gar nicht zurecht. Von den noch ungeübten Händen wird einfach ein viel zu hohes Tempo in der
Fadengestaltung verlangt. Die Folge ist, daß das Garn ständig reißt und wohl jeder ohne Anleitung schnell die Lust verliert. Darum sind diese Spinnräder für Anfänger eigentlich nicht zu empfehlen.
"zwingender Einzug"? Ich hoffe, dass mein Anliegen jetzt etwas klarer ist.
Beste Grüße -- Thomas
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 18:07
von Arachne
Hm, so ganz verstehe ich das Problem auch nicht (ich meine den Wunsch ohne den sog. Schlupf spinnen zu wollen). Rein theoretisch könnte man ja ein festes Verhältnis dadurch erzielen, daß man nicht eine einzelne Schnur nimmt, sondern zwei so exakt bemessene Einzelschnüre, daß deren Verhältnbis zueinander paßt. Schon hat man keine Schlupf mehr! Aber auch keine Möglichkeit, den Antriebsfaden entsprechend fester zu ziehen oder loser zu stellen.
Das ist ja auch die Art und Weise für Anfänger: Schnur sehr locker lassen, also viel Schlupf, schon hat man mehr Zeit für die Hände. Seit 500 Jahren haben sämtliche Kinder in Norddeutschland so spinnen gelernt, so what?
Sigrid
Re: Zweifädig ohne Schlupf?
Verfasst: 15.04.2011, 19:43
von Klara
Thomas, über den Satz auf der Henkys-Seite habe ich mich auch gewundert und mir dann gesagt, dass es wohl daran liegt, dass Henkys bekanntlich flügelgebremste Räder bauen und anscheinend gewisse Wissenslücken in Bezug auf andere Antriebsformen haben. Die Frau, die mir meine allererste Erfahrung am Spinnrad ermöglichte, wusste allerdings auch nichts vom Schlupf - ich musste schauen, wie ich mit dem zweifädig angetriebenen Selbstbauteil zurechtkomme. Genau das habe ich gemeint mit "die Arbeit dem Anfänger auch nicht leichter machen". Vom Schlupf habe ich erst bei Amos gelesen (den habe ich mir zum Glück gleich zu Anfang gekauft - Petzis gab's noch nicht). OT: "jump to conclusions" würde ich mit "vorschnelle Schlussfolgerungen ziehen" übersetzen.
Arachne, wie willst du mit zwei einzelnen Baumwoll- oder Hanfschnüren Schlupf verhindern? Für mein Technikverständnis hat man den immer bei glatter Schnur auf glattem Holz. Reduzieren ginge für mein Gefühl (theoretisch) am besten durch Aufrauhen. Oder im Extremfall Zahnräder und -riemen oder -kette (DAS hatten wir noch nicht im Spinnradbau, oder?

)
Und wenn ich Thomas richtig verstehe, dann WILL er nicht ohne Schlupf spinnen, sondern er fragt sich, wie das bei Tom Walthers Rad funktionieren wird/kann/soll. Dann wäre das hier eine Diskussion unter Technikfreaks zur Förderung des allgemeinen Wissensstandes aber möglicherweise ohne unmittelbare praktische Anwendung. Oder vielleicht kriegt irgendjemand beim Lesen eine ganz geniale Idee, die den Spinnradbau im 21. Jh. revolutioniert
Ciao, Klara