Ein Neuzugang bei mir

Typen, Spinntechniken, Fragen rund ums Spinnrad-Spinnen

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shorty
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Re: Ein Neuzugang bei mir

Beitrag von shorty » 25.01.2012, 23:22

Meines Wissens kommt der Name Hungerspinnrad daher, dass zu der Zeit als diese Räder in "Mode" kamen, bereits die Industrialisierung Einzug gehalten hat.
Vieles konnte man dann schon deutlich schneller maschinell spinnen als per Hand.
Die Handspinnerinnen waren in Zugzwang und mussten mehr Menge schaffen.

Karin
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

spulenhalter
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Re: Ein Neuzugang bei mir

Beitrag von spulenhalter » 26.01.2012, 22:20

Hier der versproche Beitrag zu Hungerspinnrädern

vergangenen Jahr haben über 50 Eifeler Museen (www.eifelmuseen.de) an der Sonderausstellung "Eifelschätze" mit jeweils einem besonderen Exponat teilgenommen, das von einem Paten aus der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (www.eifelschaetze.de). Unser Eifelschatz im Handwebmuseum Rupperath ist ein sogenanntes Hungerspinnrad mit Alexander Büttner, dem Bürgermeister von Bad Münstereifel, als Paten.


Dieses Hungerspinnrad wurde dem Museum von einer Familie aus Odesheim übergeben. Im Museum werden noch zwei weitere Hungerspinnräder ausgestellt, von denen das eine ein Nachbau aus der Zeit um 1930 ist. Das andere, ein Flohmarktfund, ist das älteste dieser drei Räder. Es besitzt noch Holzgewinde als Verbindungen. Diese drei Räder ähneln sich in ihrer Bauweise. Einen anderen Typ von Hungerspinnrad kann das Museum seit zwei Wochen vorübergehend zeigen. Aus diesem Grund wurden die Hungerspinnräder als Thema des Monats Juli ausgewählt.


Doch was sind Hungerspinnräder eigentlich?


Es sind Doppelflügelspinnräder, bei denen die beiden Spinnflügeleinheiten aus Spinnflügel und Spule nebeneinander angeordnet und über jeweils eine Doppelschnur mit dem Antriebsrad verbunden sind. Der Radkranz des Antriebsrades ist deshalb breiter als bei normalen Spinnrädern und hat zwei Rinnen, die durch einen Damm getrennt werden. Dieser Damm hält die beiden Schnurpaare voneinander getrennt. An einem solchen Rad kann also eine Person gleichzeitig mit beiden Händen jeweils einen Faden spinnen, was aber viel Übung im Spinnen und gut vorbereitetes Spinnmaterial voraussetzt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass zwei Personen an dem Rad arbeiten, wobei nur eine über den Tritt das Rad und damit beide Spinnflügeleinheiten antreibt.


Bei den drei zuerst erwähnten Hungerspinnrädern des Museums handelt es sich um sogenannte Bockräder, bei denen die beiden Spinnflügeleinheiten über dem Antriebsrad angeordnet sind. Das nur vorübergehend ausgeliehene Rad dagegen ist ein Ziegenrad mit den beiden Spinnflügeleinheiten links neben dem Antriebsrad.


Und warum wurden solche schwer zu bedienenden Spinnräder erfunden?


Gesponnen wurden Flachs und Wolle nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch um Berufsweber mit Garn zu versorgen. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts mussten etwa vier bis zehn Spinnerinnen arbeiten, um einem Weber genügend Webmaterial zu liefern.


Im Jahr 1733 änderte sich diese Situation dramatisch, als der Engländer John Kay den Schnellschützen für den Webstuhl entwickelte. Diese Erfindung ermöglichte es dem Weber, das Schiffchen, jetzt Schütze genannt, viel schneller - durch einfaches Ziehen an einer Schnur - durch das Webfach hin und her zu schießen. Außerdem konnte die Breite des Gewebes damit verdoppelt werden, da die Reichweite der Arme des Webers keine Rolle mehr spielte. Die Weber konnten auf diese Weise doppelt so viel weben wie bisher. Damit erhöhte sich aber der Bedarf an Garn im gleichen Verhältnis. Um diesen Garnhunger zu stillen, mussten nun acht bis zwölf Spinnerinnen für einen Weber arbeiten. Aus diesem Grund wurden in verschiedenen Ländern Doppelflügelspinnräder entwickelt.


In Deutschland zum Beispiel soll die Tochter des Pastors Trefurt aus Riede (Grafschaft Hoya) die Fähigkeit besessen haben, mit beiden Händen an zwei nebeneinander stehenden Rädern gleichzeitig zu spinnen. 1750 soll nach ihrer Anleitung ein Doppelbockrad gebaut worden sein, das sogenannten "Trefurt-Rad".


Es stellte sich jedoch heraus, dass auch der Einsatz von Doppelflügelspinnrädern den Garnhunger der Weber nicht befriedigen konnte. Beim beidhändigen Spinnen ist eine hohe Konzentration erforderlich, die nicht über einen längeren Zeitraum möglich ist. Die Spinnerinnen konnten auf diese Weise in Wirklichkeit nicht doppelt so viel spinnen, sondern die Produktivität höchstens um zwei Drittel steigern. Außerdem war die Garnqualität, die so erzeugt wurde, schlechter.


Aus diesem Grund wurde nach anderen Wegen gesucht, um den Webern die benötigten Garnmengen und - qualitäten zu beschaffen. Bereits um 1770 wurden in England die ersten brauchbaren Spinnmaschinen entwickelt.


Neugierig geworden? Besucher sind herzlich zu einem Besuch des Handwebmuseums Rupperath eingeladen, wo die Geschichte des Spinnens an Hand der Exponate erklärt und mit Handspindel, Spindelrad und Flügelspinnrad vorführt wird.

Quelle: www.eifelmuseen.de

Gruß Mathias
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