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Spinnen für Seile

Verfasst: 09.09.2018, 11:40
von Klara
Ich komm' gerade aus dem Urlaub zurück, wo ich wieder die Hermione in Rochefort besucht habe und diesmal auch die Corderie Royale, d. h. die königliche Seilerei, die jetzt u. a. als Museum zum Thema dient. Und da habe ich folgendes Spinnrad gesehen:
SpinnradSeile.JPG
Der "Faden" (so ca. 1 - 2 mm dick), der als Ausgangsmaterial für die Seilherstellung dient, wurde ohne Aufwickeln gesponnen, deshalb sind am Spinnrad nur Haken. Der Spinner ging mit länger werdendem Faden rückwärts - je ein Spinner pro Haken (10 an diesem Rad). Ein zusätzlicher Arbeiter hat die Handkurbel gedreht, der Spinner hatte also beide Hände für die Hanffasern frei (vorbereitet wie wir's vom Flachs kennen), die er als "Gürtel" getragen hat. In unseren Wohnzimmern hätten wir ein Platzproblem, aber die Seilerei war sowieso 300 m lang, weil man die Strecke für die Seile gebraucht hat: Eine Kabellänge war 200 m, und beim Verdrehen geht 1/3 verloren (das hat sich als ideale Drallmenge rausgestellt).

Einen Besuch in Rochefort kann ich nur empfehlen, die Hermione, wo die Führungen jetzt von Leuten veranstaltet werden, die auf ihr gesegelt sind, lohnt absolut den Besuch (im Gegensatz zu Futuroscope und Puy de Fou). Mit Französischkenntnissen dürfte man allerdings mehr davon haben...

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 09.09.2018, 14:15
von Asherra
Wie ging das dann weiter, nachdem die 10 Fäden fertig waren? Die Spinner konnten sie ja nicht einfach los lassen sonst Salat...

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 09.09.2018, 14:30
von shorty
Interessant ! bei uns hat ja jemand in der Spinngruppe ne kleine Seilerei nachgebaut.

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 09.09.2018, 19:17
von Klara
Asherra, das ist eine gute Frage, die ich aber vergessen habe zu stellen...

Auf der Suche nach einer Antwort habe ich das hier gefunden: https://www.youtube.com/watch?v=7vhI8gYUXpU (keine Antwort, nur ein paar Bilder...)

Ditto hier: https://www.revolutionaryplayers.org.uk ... -spinning/

Ich finde keine Antwort, könnte mir aber vorstellen, dass man die Fäden unter Spannung auf Spulen gewickelt hat, um sie bis zur Weiterverarbeitung zu lagern und problemlos einen Stock tiefer transportieren zu können (gesponnen wurde im Obergeschoss, die Seile im Erdgeschoss gemacht).

Ciao, Klara

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 09.09.2018, 20:09
von Fenlinka
Ich hab letztens auf nem Fest nem Seiler zugesehen (Kinder durften die Seile drehen) das war quasi nen 4 fach cabel garn vom Aufbau. Die vier Fäden wurden per Kurbel verdreht (dünne Bindfadenartige Schnüre waren da die Grundlage aber direkt gesponnen ginge sicher genauso) und dann, als genug Dral, drauf war, am Ende frei rotieren gelassen und mit einer Vorrichtung die an eine Zitronenpresse von der Form erinnert, gleichmässig schnell verdrillen gelassen. Ich könnte mir vorstellen das so was dort auch möglich wäre. Ein bisschen so wie Kordeldrehen.
Fenlinka

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 09.09.2018, 20:23
von shorty
grade nach dem Bild gesucht in klein sieht das so aus

sorry hat gedauert Bild verkleinern auf 5 Anläufe.....

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 10.09.2018, 07:56
von Asherra
Danke. Warum ich nicht auf Spulen gekommen bin, obwohl das Spinnrad neben dran steht weiß ich auch nicht :totlach:

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 10.09.2018, 08:24
von borekd
Fenlinka hat geschrieben:... und dann, als genug Dral, drauf war, am Ende frei rotieren gelassen und mit einer Vorrichtung die an eine Zitronenpresse von der Form erinnert, gleichmässig schnell verdrillen gelassen. ...
Fenlinka
Diese Vorrichtung heißt "Maus", das ganze dann "Reeperbahn" (da kommt der Name der bekannten Straße in Hamburg her). Über die Maus kann man bestimmen, wie fest verdrillt das fertige Seil wird. Sozusagen die Steigung des Dralls. Das wiederum beeinflusst die Eigenschaften des Seils.

Das eingangs von Klara gezeigte Spinnrad kannte ich bisher noch nicht, wahrscheinlich wurde das nur in Großbetrieben eingesetzt, da effektiver. Vor zwei Jahren haben wir diese Seilerei besichtigt: http://www.provaznickemuzeum.destna.cz/ ... cke-muzeum
Dort wurden die dünnen Ausgangsfäden noch ganz konventionell auf einem Spinnrad hergestellt, und dann an einer Reeperbahn miteinander verdrillt.

Gedrehte Seile haben generell zu viel Dehnung, was für die meisten Anwendungen (insbesondere für die Schifffahrt) ein Nachteil war. Daher hat man etwa am Anfang des 20. Jahrhunderts damit begonnen die Seile zu flechten. Geflochtene Seile dehnen sich etwa 10x weniger als Gedrehte, abhängig vom Material und der Art des Flechtens.

Gruß
Borek

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 10.09.2018, 10:21
von Fenlinka
Cool, das wusste ich auch noch nicht. Klar war mir das Seile erst eingearbeitet werden müssen damit sie sich gedehnt haben aber das geflochtene das weniger haben war mir neu.
Fenlinka

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 11.09.2018, 12:33
von Klara
borekd, die Maschine auf dem dritten Bild deiner Museumswebsite sieht aber dem Spinnrad in Rochefort sehr ähnlich, nur vielleicht weniger Haken! Ich hab' versucht, rauszufinden, warum so gearbeitet wurde (ein Mensch nur zum Kurbeln, Spinner sind die ganze Zeit auf den Füssen, und das Problem "was macht man mit den 300 m Garn" war mir gar nicht bewusst), aber die Frau, die die Reeperbahn vorgeführt hat, wusste es auch nicht.

Mir ist dann gekommen, dass es vielleicht ein Zeitproblem (d. h. technische Entwicklung) war, und der Mann, der Knotenarbeit demonstriert hat, meinte dass es das Spinnrad für das Ausgansmaterial in solcher oder ähnlicher Form schon seit dem Mittelalter gibt (ca. 13. Jh. - ohne Garantie, das war nur seine Meinung) - und damals gab's ja noch keine Flügelräder. Und ich behaupte mal, dass millimeterdickes Garn aus meterlangen Hanffasern weder auf einem Spindelrad noch mit einer Handspindel problemlos zu spinnen sind. Ausserdem hatte die oben beschriebene Technik den Vorteil, dass man eventuelle Unregelmässigkeiten im Garn gesehen hat - würde mich nicht wundern, wenn da noch ein Aufseher rumgelaufen wäre und mit Argusaugen gewacht hätte, dass das Garn perfekt war - das Leben der Schiffsbesatzungen hing ja an den Seilen.

Reeperbahnen sind hier übrigens noch ziemlich verbreitet - in Angrie machen sie traditionelle Seile, auf ökologisch orientierteren Festen werden Heubändchen verarbeitet. Ich wollte mir immer mal so ein Ding basteln, bin aber noch nicht dazu gekommen...

Ciao, Klara

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 14.09.2018, 10:47
von borekd
Klara hat geschrieben:borekd, die Maschine auf dem dritten Bild deiner Museumswebsite sieht aber dem Spinnrad in Rochefort sehr ähnlich, nur vielleicht weniger Haken! ...
Wenn wir beide dieses Bild http://www.provaznickemuzeum.destna.cz/ ... 0db6ea.jpg meinen, dann bin ich doch eher der Meinung, dass es sich hierbei um eine Art von einer sehr kompakten motorgetriebenen Reeperbahn handelt. Aber, wie schon geschrieben, kenne ich mich mit dieser Materie kaum aus.

Kann es sein, dass die gesponnenen Singles gar nicht erst aufgewickelt, sondern nach ihrer Fertigstellung direkt auf die Reeperbahn umgehängt wurden? Das könnte sogar einige Vorteile gehabt haben, z.B. die identische Länge der Singles oder auch die richtige Länge passend zu der vorhandenen Reeperbahn. Von der verlässlicheren Qualitätskontrolle, die Du bereits erwähnt hast, ganz zu schweigen.
Den vermutlich erhöhten Arbeitsaufwand sollte man m.E. im historischen Kontext sehen, vor 100+ Jahren hatten die Lohnkosten wohl den kleinsten Anteil an dem Gesamtaufwand.

Gruß
Borek

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 14.09.2018, 13:32
von Klara
Ne borekd, ich meinte nicht das von dir zuletzt verlinkte Bild, sondern das hier: http://www.provaznickemuzeum.destna.cz/ ... 10ccc7.jpg , und da die aufrecht stehende Maschine links von der Reeperbahn, gleich neben dem Fenster. Kann's übrigens sein, dass Reeperbahn ein norddeutsches Wort ist? Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass ein Bayer das sagt, und wir haben auch Seile...

Das Problem mit dem direkten Umhängen der Singles ist, dass die Seile im Erdgeschoss gemacht wurden und die Singles im ersten Stock, oder bei gutem Wetter auch mal im Freien, gesponnen wurden. Identische, zur Reeperbahn passende Länge ergibt sich aus der Gebäudelänge: 300 m - Spinnrad stand an einer Wand, wenn man den Rücken an der anderen Wand hatte, hörte man auf zu spinnen. 300 m sind übrigens in Wirklichkeit viel länger als sie hier aufgeschrieben aussehen - mir wurde es erst richtig klar, als ich das Gebäude aussen abgelaufen bin, um zum Restaurant zu kommen - das Museum innen besetzt nur eine Bruchteil dieser Länge.

Ciao, Klara

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 17.09.2018, 14:49
von Fenlinka
Ich könnte mir trotzdem vorstellen das das erste verdrillen direkt oben gemacht wurde. Damit ist ein Seil ja noch nicht fertig. Ich kenne, abgesehn von den Heuballen Dingern, keine Seile die nur einmal gezwirnt sind.
Fenlinka

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 18.09.2018, 11:13
von Klara
Der Mehrstufenzwirn eines Seils wird in einem Durchgang gemacht - eine Reeperbahn ist kein Spinnrad!

Guck mal hier: https://www.youtube.com/watch?v=JAT7MHOqn6E

Und meine Heubändchen sind gar nicht gezwirnt, nur locker gesponnen. Gerade recht als Ausgangsmaterial zur Seilherstellung - wie auch hier im Video ;)

Ciao, Klara

Re: Spinnen für Seile

Verfasst: 18.09.2018, 11:23
von shorty
Danke für den Film ist im Grunde genau wie bei meinem obigen Bild mit dem Unterschied, dass dort nur eine Person nötig ist die kurbelt.