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Spindeln in der Therapie

Verfasst: 16.03.2011, 20:52
von Feuerdrache
Ich habe habe in meinem beruflichen Alltag mit Sprache, Stimme & Co zu tun.
Dabei hängt mir immer wieder der Satz meines Schulleiters uns Ausbilders nach, daß ich im Leben flexibel bleiben soll. Ich muss zugeben, daß er im Nachinein recht hatte! :
Im letzten Jahr kam mir die Idee eine Spindel und etwas Wolle mit in die Arbeit zu nehmen. Die Ergebnisse begeistern alle Beteilgiten. ^^ Viele Kinder und Jugendlche fragen mich neuerdings von sich aus ob ich wieder eine Handspindel und etwas Wolle im Schrank habe. Wir spinnen, zwirnen, Knoten (Seemansknoten; ich bin das erste Mal mit 2,5 Jahren gesegelt) und flechten die Ergebnisse zu kleinen Kunstwerken. Der schöne Nebeneffekt ist, daß ich immer einen Bindfaden und etwas Kammzugwolle griffbereit habe, der sich wieder für andere Basteleien und Spiele verwenden lässt.
Manchmal braucht es - je nach Alter und motorischen Fähigkeiten - eine kleinere oder grössere Unterstützung, indem ich sie therapeutisch führe. Und plötzlich gibt es ganz viele neue Zugangswege zur Sprache und zum Sprechen, die beide Seiten vorher nicht für denkbar gehalten hatten.

Hat jemand von Euch im heilpädagogischen oder therapeutischen Bereich ähnliche Erfahrungen gemacht?

Lg,

der Feuerdrache

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 16.03.2011, 21:12
von shorty
Ich kann nur privat von Daniel berichten.
Auch ich hab mit ihm schon gesponnen.
Handspindel schafft er motorisch nicht, aber ich setze ihn zwischen meine Beine und er kann das Lendrum treten. Ich übernehme die Handarbeit.
Wie gesagt motorisch ist das mit den Händen schwierig.
Zwischen meine Beine deshalb, weil er nicht ungeführt sitzen kann.
Es macht ihm großen Spaß, er mag Wolle sehr.

Ich hab auch schon gefilzt, um mit ihm bezüglich des Druckaufbaues der Sprache wegen etwas zu trainieren, strengt ihn sehr an, gefällt ihm aber.

Ich finde Wolle im therapeutischne Bereich ein tolles Material.

Karin

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 07:54
von fiberarts
Natürlich, es ist großartig.
Es gibt ja auch Kunst Theraphy. Eine Freundin in der USA macht das beruflich.
Ich selber fühle mich beser wenn ich etwas spinnen oder stricken, sticken und und und ....
Ich bin überzeugt das es heilpädagogischen oder therapeutischens ansprechend it. Es öffnet die Seele, bringt auf andere Gedanken und es ist Material das nicht als bedrohend angesehen wird, eher entspannent. In falle von schwehr Erziebaren, Drogenabhhänigen...kann man als Einleitung oder als forgehende Behandlung dazunehmen sollten sie offen dafür sein.
Kunst Teraphy wird of in der USA eingesetzt um an schwirige Menschen oder Traumapatienten eingesetzt.

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 07:58
von dachbodenspinner
Gestern habe ich während des Wartens beim Sport gespindelt.

Ein Mann stand die ganze Zeit im Türrahmen und meinte: Ich könnte dir die ganze Zeit zusehen. Das ist so beruhigend.

Uns selbst entspannt die Arbeit mit der Wolle doch auch. Einfach in der Wolle wühlen ist schon ein Genuss, auch ohne "spinnerte" Hintergedanken.

Handspindeln geht auch nur mit Ruhe, in Eile ist das wohl kaum möglich, bei mir zumindest.

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 08:37
von Feuerdrache
Fiberarts: Kunsttherapie gibt es auch in Deutschland. :)

Eine der schönsten Erfahrungen, die ich gemacht habe war die Anbahnung eines Ziellautes /s/ mit einer Handspindel. Das Kind kam wegen einer Dyslalie/ Problemen mit der Aussprache in die Praxis.
Ich frage mich interdisziplinär, ob das Spinnen in der Ergotherapie (z.B. als Training für die Handfunktion) genutzt wird. Theoretisch bietet sich das aus eigener Erfarhung an. Seit dem ich spinne hat sich meine Feinmotorik im vergleich zu früher deutlich verbessert.

lg,

der Feuerdrache

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 08:43
von shorty
Feuerdrache hat geschrieben: Ich frage mich interdisziplinär, ob das Spinnen in der Ergotherapie (z.B. als Training für die Handfunktion) genutzt wird.
lg,

der Feuerdrache
Ich denke kommt einfach ein bißerl auf den "Hintergrund" des Therapeuten an.
Bisher war bei "unseren " Ergo´s noch niemand dabei der gesponnen hat.
Eine frühere Logopädin hatte zumindest ein Spinnrad, wenn auch viele Jahre nicht mehr in Betrieb und nicht therapeutisch eingesetzt.

Aber Jana Muchalski, die auch Art Yarn Kurse gibt, arbeitet z.B. beruflich auch im Therapiebereich.

Karin

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 09:47
von hasimausi1972
Ich kann von uns aus der Therapie berichten, dass leider zu wenig Ergotherapeuten spinnen können. Meistens wird eher grobmotorisch gearbeitet, wobei das Körbeflechten dann schon manchmal ziemlich fummelig ist.

Es gibt einige Ergotherapeuten die sich dafür aus alten Zeiten (hüstel - damals die Blümchenzeit.. Freiheitsszene) schon noch an das Spinnen erinnern, dieses im Laufe der Zeit aber größtenteils abgestellt haben, da

1. Meistens die Kassen nur noch 6-10 h zahlen. Für das Erlernen des richtigen Spinnens und das Weiterverarbeiten stricken bzw. weben oder ähnliches, welches ja auch erlernt werden sollte, bleibt einfach zu wenig Zeit..

2. Teilweise das Unverständnis seitens des Patienten da ist.. wofür soll ich das denn brauchen, wenn ich meinen Schal im Laden für 10 Euro kaufen kann.

3. Webstühle wahnsinnig viel Platz brauchen, welcher für Kinder in der Therapie eher in Form von Spielmatten sinnvoll sein könnten. Es muß extra ein Raum nur allein dafür vorhanden sein.. Es ist laut und braucht viel Zeit..

Ich denke, dass es schon ein großes Interesse seitens der Ergotherapeuten am Wolle verarbeiten gibt, dazu aber leider meistens die Anleitung derer nicht gewährleistet werden kann, außer sie belegen privat einen Kurs.

Wir, unsere Ergotherapeuten und ich haben nunmehr seit 8 Jahren ein sehr gutes Verhältnis, sie selbst haben bei mir schon mit einer Handspindel gesponnen, wir wollen morgen anfangen mit den Kindern (mehrere Therapiekinder) gemeinsam Wolle zu färben um sie anschließend in weiteren Stunden zu verfilzen.

Dieses macht Kindern sehr viel Spaß und bietet auch eine gute Abwechslung.

In der Ergo sind viele Kinder ADHS Kinder, die die Ausdauer beim Spinnen überhaupt nicht aufbringen können, sie brauchen viele neue Reize und diese kann man beim Wolle färben und beim Filzen, welches ja auch eher "Spüren läßt" gut erreichen. Sie müssen auch bei der Sache bleiben, aber eben nicht so viel Still sitzen wie in der Schule.

Grundsätzlich habe ich auch in großen RehaEinrichtungen Webstühle gesehen, die auch lange genutzt wurden, aber nunmehr einfach noch herum stehen. Auf Anfrage meinte man, dass es meistens zu lange dauern würde bis die Patienten endlich ihr fertiges Ergebnis hätten und das wäre in 3 Wochen niemals zu schaffen.

Ich selbst habe auch schon in Schulen und Kindergärten gesponnen, mit der Handspule oder auch mit dem Rad und die Kinder waren alle begeistert. Trotzdem muß man ganz stark differenzieren WAS man mit jedem einzelnen Kind macht.

Wolle!! ist in jedem!! Falle ein wunderbarer Werkstoff um in erster Linie zu spüren..

Der eine braucht es sanft und der andere eben härter...

;o)

Ich gebe Dir absolut Recht, wenn Du schreibst, dass Du Brücken bauen kannst über das Spinnen oder arbeiten mit Wolle. Genau für diese schwierigen Fälle, wo es um das Hintertürchen geht, da ist es für Therapeuten wichtig einen Zugang zu finden, wodurch ist dann wohl in erster Linie egal...
Aber Wolle liegt natürlich ganz sanft in der Hand... und läßt sanft erspüren...

Wir alle, die wir spinnen, wissen, wie die Gedanken fließen, wenn der Faden fließt.. es tut solange auch gut, wie wir loslassen können..

Und manchmal geht es auch um nichts anderes als um das LOSLASSEN...


LG Danie

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 10:09
von shorty
hasimausi1972 hat geschrieben: Grundsätzlich habe ich auch in großen RehaEinrichtungen Webstühle gesehen, die auch lange genutzt wurden, aber nunmehr einfach noch herum stehen. Auf Anfrage meinte man, dass es meistens zu lange dauern würde bis die Patienten endlich ihr fertiges Ergebnis hätten und das wäre in 3 Wochen niemals zu schaffen.
Ich glaub das hängt auch damit zusammen, dass man nicht genügend Personal hat.
Ich hätte z.B. auf der Kur gerne an der dort angebotenen Kunst Therapie teilgenommen.
Ging leider nicht, weil immer nur 1 der 5 Psychosomatikgruppen das im Wechsel wahrnehmen hätte können.
Hat mich unwahrscheinlich geärgert.

Es kommt einfach auch etwas auf die Zielgruppe an. In einer Förderschule z.B. haben die Kinder nicht nur 7 - 10 Stunden Ergotherapie, ADHS Kinder sind zwar auch dabei, aber eher in der Minderheit.
Da besteht Fördermöglichkeit über mehrere Jahre hinweg.
Das wäre ein weites Betätigungsfeld. Sicher muss man dann immer noch sehen, was mit dem einzelne Kind möglich ist, motorisch,sensorisch, von der Konzentrationsfähigkeit und auch geistig.
Man kann z.B. auch nicht mit jedem Kind filzen.
Ich finde nicht , dass zwangsläufig nach dem Spinnen eine der verarbeitenden Tätigkeiten kommen muss, wenn man therapeutisch arbeitet.

Ach ein schönes Thema, das mir sehr am Herzen liegt ;-)

Karin

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 10:29
von hasimausi1972
Du hast schon recht, es muß nichts danach kommen..

aber Kinder brauchen speziell den Anreiz etwas in der Hand zu haben.. wenn man grob spinnt könnte es ein Seil sein, womit sie dann irgendwas verknoten können..

Meine Kinder haben es alle genossen dann etwas richtig TOLLES zu haben!!!
Sie waren stolz auf das was sie dann zeigen konnten und sogar bei Gleichaltrigen Anerkennung dafür bekamen... Das ist auch ein Teil der Therapie..

Es ist sehr vielfältig was man mit Wolle machen kann.. und irgendwas ist für jedes Kind dabei...

Neugierde zu erwecken was man machen kann - das kann schon allein eine Brücke sein.

Schade, dass es mit der Kunsttherapie bei Dir nicht geklappt hat.. ich hab mir bisher immer einen Weg schaffen können.. irgendwas zu machen was mit Kunst zu tun hat.. und wenn es privat mit den Therapeuten dort war ;o)

LG Danie

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 11:32
von shorty
hasimausi1972 hat geschrieben:
Schade, dass es mit der Kunsttherapie bei Dir nicht geklappt hat..

LG Danie
Wer weiss, vielleicht ergibt sich ja mal was.
Kann man nie wissen ;-)
Gut 3 Wochen Psychosomatisch sind nun auch nicht so lange.
Hab ich halt nen Filzabend mitgemacht, gestrickt, und das Spinnrad war auch mit dabei.
War auch schön :-)
Karin

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 13:14
von Feuerdrache
Eine Fachliche Kleinigkeit im Off - Topic...
Nicht jedes Kind mit Psychomotorischen Defiziten hat sofort AD(H)S. Hier muss bitte sehr genau unterschieden werden ob Probleme in der Sensorisch - Motorischen Integration (kurz: SI - genaueres in der Abhandlung von Jean Ayers) oder tatsächlich eine neurologische Warnehmungsstörung (ADHS) vorliegt.
Das funktioniert ausschliesslich mit sehr viel Hintergrundwissen und noch mehr Erfahrung. Hier liegt einer der Gründe, warum der Begriff "Aufmerksamkeits - Defizits - Hyperaktivitäts - Syndrom" zur Modediagnose verkommen ist.

Wer ein einfacheres aber sehr gut durchdachtes Modell zum Thema Warnehmung sucht, sollte bitte einmal das Buch von F. Affolter "Warnehmung - Wirklichkeit und Sprache" durchblättern. Sehr interessant und gut verständlich. Zurück zum Thema....



Das Los - lassen lernen uind das sich - einlassen ist allgemein ein wichtiger Prozess in jeder therapeutischen Arbeit. Genauso wie das nach - geben. Ich mache bei diesen Wörtern bewusst Bindestriche um die darin steckenden Wortspielereien zu verdeutlichen.
Und selbst ein Kind mit SI - Problemen und Konzentrationsschwierigkeiten kann spinnen (lernen). Es kommt immer darauf an wie ich methodisch und didaktisch an die Sache herran gehe und was ich erreichen möchte. Ich habe in meiner praktischen Ausbildung die Begriffe 'zielorientierte Begründung' und 'methodische Begründung' kennen gelernt.

Wolle ist in jeglicher Hinsicht ein wunderbarer Werkstoff. Es ist schön etwas selber gemachtes mit nach Hause zu geben/ mit nach Hause zu nehmen.

Weben ist eine laute Angelegenheit?
Ja - wenn Du Leinen mit einem Schnellschützen webst. Ansonsten nicht. Wir können das ausführlicher in der entsprechenden Rubrik diskutieren. :)

Lg,

der Feuerdrache

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 14:57
von Klara
Vorschlag an die Therapeuten: Wie wär's denn mit Triloom-Weben? Die Rahmen brauchen nicht viel Platz, Kette schären entfällt und wenn man mit Format, Nagelabstand und Material vernünftig bleibt, wird man auch einigermassen schnell fertig.

Ciao, Klara

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 15:03
von Feuerdrache
Das klingt für den ergo- und kunsttherapeutischen Bereich gut. Ich kann das leider nicht interdisziplinär beurteilen. :)

lg,

der Feuerdrache

Re: Spindeln in der Therapie

Verfasst: 17.03.2011, 16:10
von shorty
Ja könnte ich mir vorstellen Klara.
Für die motorisch etwas fitteren Kinder.
Wenn es sich mal ergibt , werd ich das mit Daniel mit den kleinen Trilooms testen, bzw. den Quadraten. Danke für die Anregung. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.;-)
Karin