Geschwindigkeitsvergleich Spindel - Spinnrad

Allgemeines zum Thema Spinnen (Spinnfasertypen, geschichtliches, ...)

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kaha
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Re: Geschwindigkeitsvergleich Spindel - Spinnrad

Beitrag von kaha » 10.07.2011, 12:33

Sodalla, spät aber immerhin. Quelle: Bohnsack, Spinnen und Weben, Entwicklung von Technik und Arbeit im Textilgewerbe (Deutsches Museum, Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik), rororo, 1080-ISBN 3 499 17702 1

S. 57:
Vergleich von 5 Spindeln, Zahlen lass ich mal weg, aber die Umdrehungen pro Minute reichen von 1600 bis 3600 (neues Andrehen nach 6 sec).
Das ist ja schon mal ein großer Unterschied.

S. 147: Vergleich Handspingel (Baumwollspindel Kamerun, Riedgrasstab mit Tonwirtel unten, 15gr, 2100 U/min), einfaches Handspinnrad (dh Spindelrad, Übersetzung 1:45, Spindelumdrehung 3150 U/min, Schwungradumdrehung 70U/min), Flügelspinnrad (Tretantrieb 1:10, 1200 U/min, Schwungradumdrehung 120U/min).
Gesponnen wird "mittelstarkes Garn".
Mögliche Arbeitsleistung pro Stunde (in obiger Reihenfolge): 208m, 424m, 200m.
Durchschnittliche Arbeistleistung pro Stunde: 167m, 300m, 160m.

Als Pluspunkt für das Flügelrad ggü. Spindelrad wird die gleichmäßge Fadenqualität genannt (beide Hände frei).

Zur Arbeistleitung (S. 146):
"Eigentlich müsste mit dem Flügelspinnrad mehr Garn hergestellt werden können als mit dem Handspinnrad; denn da sich Spinn- und Aufwickelzeiten überlagern, werden die Aufwickelzeiten jeweils eingespart. Die ist zwar zunächst eine folgerichtige Vermutung, aber deshalb ein Trugschluss, weil das Übersetzungsverhältnis vom Antrieb bei den Treträdern immer kleiner ist als bei den Handspinnrädern.
...
(S. 148)
Der Tretantrieb ermöglichst zwar höhere Drehzahlen des Antriebsrades pro Zeiteinheit, die beim Handrad weden des Handantriebes begrenzt sind (auch deshalb, weil die Spindeln bei etwa 4000 Umdrehungen zu schwirren beginngen), aber diese höhrern Drehzahlen können das niedrige Übersetzungsverhältnis vom Antriebsrad zur Spindel nicht ausgleichen.
...
Die Begrenzung des Übersetzungsverhältnisses bei den Tretspinnrädern ist keineswegs willkürlich. Sie ist durch die Konstruktion der Flügelspindel festgelegt; denn bei höheren Spindelfrequenzen lassen sich die dann auch höher werdenden Zugbelastungen vom erst entstehenden Faden nicht aushalten. Er würde reißen."

Ich denke mal, die liegt es auch am System, Flügelbremse, Spulenbremse oder zweifädig.

Weiter:
"Je feiner das Garn, je höher die notwendigen Verdrehungszahlen des Garns, desto unproduktiver ist das Flügelspinnrad auch im Verlgiech zur Handspindel. Aber umgekehrt gilt dann:
Je gröber das Garn, je niedriger also auch die notwendigen Verdrehungszahlen für das Garn, desto konkurrenzfähriger wird das Flügelspinnrad im Vergleich mit der Hdnspindel, weil im Flügelspinnprozess bei niedrig gedrehten Garnen die im Vergleich zur Spinnzeit dann unverhältnismäßig hohen Aufwickelzeiten des Handspinnverfahrens wegfallen.
Daraus und aus der Tatsache, dass das Flügelspinnrad sehr verbreitet war, ist de rSchluss zu ziehen, dass es >>für grobe Wolle (Strickwolle) und zum Zwirnen gute Dienste leistete<<*."
(*Zitat aus A. Linder: Spinnen und Weben einst und jetzt, 1967, S.60)

Es wird auch noch angeführt, dass das stundenlange Spinnen am Rad idR nicht so anstrengend sei wie stundenlanges Spinnen mit der Spindel.
Außerdem wird auf die Verzerrung eingegangen, die entsteht dadurch, dass bei Vergleichen fürs Flügelrad das alltägliche Spinntempo genommen wurde, während für das Spindelspinnen Wettbewerbszeiten herhalten mussten.


Wenn wir also hier vergleichen sind, machen unsere Übersetzungsverhältniss schon eine Menge aus. Wer spinnt denn noch auf 1:10?
(Das Buch ist übriges von 1981.)

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Re: Geschwindigkeitsvergleich Spindel - Spinnrad

Beitrag von Klara » 10.07.2011, 23:27

Besitzer eines alten Louet S10 oder eines normalen Henkys... - wohl wegen der Zugkräfte, die auf den eerst entstehenden Faden wirken ;) Schade, dass Bohnsack kein Rad mit Spulenbremse kannte. Wobei ich bei 1:18 keine 120 U/min schaffe, und das gleicht sich dann wieder aus.

Ciao, Klara

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Re: Geschwindigkeitsvergleich Spindel - Spinnrad

Beitrag von shorty » 11.07.2011, 15:23

Ja die Vergleiche hinken sehr häufig, weil eben nicht von derzeit möglicher Technik ausgegangen wird.
Die Begrenzung des Übersetzungsverhältnisses bei den Tretspinnrädern ist keineswegs willkürlich
Diesen Satz halte ich für relativ überholt, bzw. zu pauschal.
Auch der Spindel sind Grenzen gesetzt, weil der Mensch nicht unbegrenzt schnell antreiben kann.

Der Lendrum very fast auf ner Ziege mit großem Antriebsrad, welche sich flüssig treten lässt-
Ich denke da kommt man von der Auszugsgeschwindigkeit der Hände echt in Bedrängnis.
Abby hat dass ja schon mal getestet.
Warum sollte man dann wenn das technisch gelöst ist mit einer Spindel
schneller können?. Mag mir bei nicht total überdrehter Wolle ( weil die Spindel evlt noch schneller dreht) nicht einleuchten.
Ausziehen muss ich nämlich auch da, wenn meine Endgeschwindigkeit beim Ausziehen mal erreicht ist, dann ist Sense, am Spinnrad oder mit der Spindel.

Karin
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Re: Geschwindigkeitsvergleich Spindel - Spinnrad

Beitrag von Klara » 11.07.2011, 19:48

Na ja, als das Buch geschrieben wurde gab's den Lendrum very fast flyer noch nicht ;) Und Spinnräder mit Doppeltritt auch nicht (oder kaum). Und ob Ashford den Laceflyer schon rausgebracht hatte? Wer konnte denn ahnen, dass Spinnradspinnen wieder so verbreitet wird, dass die Macher noch neu erfinden müssen?

Wobei ja die Bauer von E-Spinnern grossteils Bedenken wegen richtig hohen Drehzahlen haben - Herr Hansen (ich glaube, der war's), z. B. hat Angst, dass der Flügel auseinanderfliegt. Nur von Lendrum (!) gab's angeblich mal einen, er ein paar Tausend U/min geschafft hat.

Langer Auszug geht, bei gut vorbereiteter Faser extrem schnell - ich kann da auch Spindeln "davonziehen" und steh' dann mit eineinhalb Metern untersponnenem Garn, einer auslaufenden Spindel und keiner dritten Hand zum Wiederanschubsen da. Muss ich noch üben. Ich würde zu gerne mal auf so einem beschleunigten Wanderrad mit 1:200 spinnen - das von Bohnsack zitierte deutsche Spindelrad mit 1:45 ist ja auch wieder "untermotorisiert". Die Boxcharkha hat 1:100 (wenn die Spindeln nur nicht so klein wären...)

Jedenfalls ein spannendes Thema...

Ciao, Klara

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