Spulen mit Wechselwirteln
Verfasst: 27.02.2022, 21:50
In dem Theoriethread zum zweifädigen Spinnen viewtopic.php?f=19&t=28075 habe ich ein System mit mehrstufigen Wirteln sowohl an der Spule als auch auf dem Flügel beschrieben, das ich für meine Frau erdacht und gebaut habe. Leider erst nach einigen Jahren ist mir ein ziemlich grundsätzlicher Denkfehler von mir aufgefallen.
Die Wirtel der Spule und des Flügels waren insofern falsch aufeinander abgestimmt, dass der Einzug häufig nur durch das „Herunterschalten“ am Flügelwirtel stufenweise erhöht werden konnte. Dadurch war meine Schnellspinnerin gezwungen ihren Komfortbereich zu verlassen, und mit zunehmend voller werdender Spule mit immer kleinerer Übersetzung und somit langsamer zu spinnen. Dabei wäre es richtig, wenn bei einer anfangs gewählten oder erprobten, dem Spinnmaterial gerechten Übersetzung, der Einzug durch das „Hochschalten“ an dem Spulenwirtel dem Füllstand der Spule angepasst werden könnte. Letzteres erfordert viel mehr Rillen am Spulenwirtel, als ich bisher angenommen hatte.
Nach den ersten Skizzen im CAD wurde schnell klar, dass das mit den bisher üblichen fest verbauten Spulenwirteln nicht geht. Solche Wirtel wären viel zu lang gewesen, das würden die u.U. einige Zentimeter weit auseinander gezogenen Parten der Antriebsschnur nicht mitmachen und abspringen. Die logische Konsequenz waren wechselbare Wirtel an der Spule, ich wählte drei fünfstufige Wirtel.
Das Prinzip der Befestigung des Wirtels auf der Spule habe ich mir von der uralten Norm DIN 800 für die Befestigung des Drehfutters an der Spindelnase einer konventionellen Drehmaschine abgeschaut. http://img0113o.popscreencdn.com/164144 ... cheibe.jpg
Eine solche Spindelnase hat ein rechtsdrehendes Außengewinde, direkt hinter dem Gewinde befindet sich ein minimal abgesetzter zylindrischer Zentrierdurchmesser mit einer exakt rechtwinkligen Schulter. Der Futterflansch ist in seinem Inneren zu dieser Form exakt passend gearbeitet. Beim Aufschrauben zentriert sich der Flansch radial an dem Zentrierdurchmesser und axial an der Schulter.
Auf die Spule übertragen bedeutet es, dass sie aus zwei Teilen besteht: Dem Spulenkörper und dem Wirtel.
Der Spulenkörper
ist weitgehend mit dem im Spulenthread (viewtopic.php?f=19&t=29948) Beschriebenen identisch.
Lediglich hat er statt des vorderen Spulenlagers eine lange Messinghülse. Diese vereint in sich die Funktion des Lagers mit der Funktion eines Wirtelträgers. Die Freibohrung D 7,5 mm muss zwingend vor dem Einharzen in den Spulenkern vorgedreht werden, weil die Bearbeitung im zusammengeklebten Zustand ansonsten viel zu kompliziert (wenn nicht sogar unmöglich) wäre.
Nach dem Aushärten des Klebers wird am hölzernen Spulenkern in einer Spannzange gespannt und die Außenkontur der Hülse wird fertiggedreht. Der 1,3 mm breite Gewindefreistich muss vor dem Schneiden des Gewindes M10x0,75 eingestochen werden. Damit insbesondere der Wirtel gut rund läuft, muss zwingend in derselben Einspannung auch die Lagerbohrung gefertigt werden.
Der Absatz für die vordere Spulenscheibe sollte ca. 0,2 mm länger sein als ihre Dicke. Zusätzlich sollte man seine Länge mit einem Mikrospan (ca. 0,05 mm) reduzieren, allerdings radial nur bis zum D 12. So wird sichergestellt, dass später der Kontakt auf der Schulter mit der Planfläche der Wirtelhülse ausschließlich „Metall auf Metall“ erfolgt. Mit Hartöl behandelte ausgetrocknete Holzflächen neigen nämlich beim gegenseitigen Kontakt auch ohne jeglichen Anpressdruck zum Verkleben. An dieser Stelle gibt es bedingt durch das Aufschrauben zusätzlich noch reichlich Anpressdruck, und bereits nach wenigen Minuten wäre das Abschrauben unmöglich. Das ist nicht bloß eine These, sondern eigene leidliche Erfahrung.
Falls man (so wie ich) zu faul ist, einen Einspanndorn aus Metall für die spätere Bearbeitung der Wirtel zu drehen, kann man dafür auch den fertiggedrehten Spulenkern mit der ebenfalls fertiggedrehten Messinghülse verwenden. In einem solchen Fall sollte die vordere Spulenscheibe erst nach dem Fertigstellen aller Wirtel angeklebt und bearbeitet werden.
Das gewählte rechtsdrehende Feingewinde M10x0,75 ist ziemlich exotisch, dabei aber leider notwendig. Sie ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen bezüglich eines möglichst kleinen Außendurchmessers (um möglichst kleine Wirkdurchmesser der Rillen zu ermöglichen) und gleichzeitig eines möglichst großen Kerndurchmessers (damit die Freibohrung bzw. der Spindeldurchmesser noch untergebracht werden können). Würde man z.B. stattdessen ein Regelgewinde M10 wählen, wäre ein Spindeldurchmesser von ¼“ (6,35 mm, typisch für Ashford) nicht mehr möglich.
Eigentlich wäre an dieser Stelle ein Linksgewinde fachmännisch richtig gewesen. Ich hatte aber Angst, dass die hier wirkenden Momente das Gewinde zu fest anziehen könnten, sodass es später nicht gelöst werden kann. Die Wirtel kann man beim Abschrauben nur an den sehr feinen Rillen anpacken, und das kann man nur mit moderater Kraft tun.
Die Wirtel
Die Wirtelkerne aus Messing müssen vor dem Einkleben in die zuvor gebohrten und plangedrehten Rohlinge aus Buche komplett fertig bearbeitet werden. Nach dem Aushärten werden sie auf den in einer Spannzange gehaltenen Spulenkern aufgeschraubt und fertig bearbeitet. Die detaillierte Vorgehensweise kann man dem Spulenthread entnehmen.
Bei dem kleinen Wirtel wären die beiden kleinsten Rillen so nahe an seinem Kern, dass Wandstärken von nur knapp 0,2 bzw. 0,7 mm entstehen würden. Es wäre illusorisch zu erwarten, dass dies auf Dauer bruchfrei im Holz möglich sein könnte. Daher hat hier der Wirtelkern aus Messing vorne einen Kragen, in den man die ersten beiden Rillen nach dem Verkleben mit dem hölzernen Rohling einsticht. Die Länge des Kragens von 5,2 mm ist so gewählt, damit am fertigen Wirtel die Antriebsschnur garantiert außerhalb der Klebefuge zwischen Holz und Messing läuft, und somit konstante Reibungsverhältnisse entlang des Umfangs der Rille herrschen. Dies erfordert neben der notwendigen entsprechenden zylindrischen Senkung im Holzrohling auch eine erhöhte Sorgfalt beim Drehen, besonders die genaue Einhaltung der Längenmaße muss man im Auge behalten.
Die Restarbeiten
umfassen die Fertigung der hinteren Lagerhülse und der beiden Spulenscheiben, die Oberflächenbehandlung und das Einpressen der hinteren Lagerhülse in den fertigen Spulenkörper. Auch hierbei handelt es sich um Teile und Vorgehensweisen, die bereits im Spulenthread beschrieben wurden.
(wird fortgesetzt)
Die Wirtel der Spule und des Flügels waren insofern falsch aufeinander abgestimmt, dass der Einzug häufig nur durch das „Herunterschalten“ am Flügelwirtel stufenweise erhöht werden konnte. Dadurch war meine Schnellspinnerin gezwungen ihren Komfortbereich zu verlassen, und mit zunehmend voller werdender Spule mit immer kleinerer Übersetzung und somit langsamer zu spinnen. Dabei wäre es richtig, wenn bei einer anfangs gewählten oder erprobten, dem Spinnmaterial gerechten Übersetzung, der Einzug durch das „Hochschalten“ an dem Spulenwirtel dem Füllstand der Spule angepasst werden könnte. Letzteres erfordert viel mehr Rillen am Spulenwirtel, als ich bisher angenommen hatte.
Nach den ersten Skizzen im CAD wurde schnell klar, dass das mit den bisher üblichen fest verbauten Spulenwirteln nicht geht. Solche Wirtel wären viel zu lang gewesen, das würden die u.U. einige Zentimeter weit auseinander gezogenen Parten der Antriebsschnur nicht mitmachen und abspringen. Die logische Konsequenz waren wechselbare Wirtel an der Spule, ich wählte drei fünfstufige Wirtel.
Das Prinzip der Befestigung des Wirtels auf der Spule habe ich mir von der uralten Norm DIN 800 für die Befestigung des Drehfutters an der Spindelnase einer konventionellen Drehmaschine abgeschaut. http://img0113o.popscreencdn.com/164144 ... cheibe.jpg
Eine solche Spindelnase hat ein rechtsdrehendes Außengewinde, direkt hinter dem Gewinde befindet sich ein minimal abgesetzter zylindrischer Zentrierdurchmesser mit einer exakt rechtwinkligen Schulter. Der Futterflansch ist in seinem Inneren zu dieser Form exakt passend gearbeitet. Beim Aufschrauben zentriert sich der Flansch radial an dem Zentrierdurchmesser und axial an der Schulter.
Auf die Spule übertragen bedeutet es, dass sie aus zwei Teilen besteht: Dem Spulenkörper und dem Wirtel.
Der Spulenkörper
ist weitgehend mit dem im Spulenthread (viewtopic.php?f=19&t=29948) Beschriebenen identisch.
Lediglich hat er statt des vorderen Spulenlagers eine lange Messinghülse. Diese vereint in sich die Funktion des Lagers mit der Funktion eines Wirtelträgers. Die Freibohrung D 7,5 mm muss zwingend vor dem Einharzen in den Spulenkern vorgedreht werden, weil die Bearbeitung im zusammengeklebten Zustand ansonsten viel zu kompliziert (wenn nicht sogar unmöglich) wäre.
Nach dem Aushärten des Klebers wird am hölzernen Spulenkern in einer Spannzange gespannt und die Außenkontur der Hülse wird fertiggedreht. Der 1,3 mm breite Gewindefreistich muss vor dem Schneiden des Gewindes M10x0,75 eingestochen werden. Damit insbesondere der Wirtel gut rund läuft, muss zwingend in derselben Einspannung auch die Lagerbohrung gefertigt werden.
Der Absatz für die vordere Spulenscheibe sollte ca. 0,2 mm länger sein als ihre Dicke. Zusätzlich sollte man seine Länge mit einem Mikrospan (ca. 0,05 mm) reduzieren, allerdings radial nur bis zum D 12. So wird sichergestellt, dass später der Kontakt auf der Schulter mit der Planfläche der Wirtelhülse ausschließlich „Metall auf Metall“ erfolgt. Mit Hartöl behandelte ausgetrocknete Holzflächen neigen nämlich beim gegenseitigen Kontakt auch ohne jeglichen Anpressdruck zum Verkleben. An dieser Stelle gibt es bedingt durch das Aufschrauben zusätzlich noch reichlich Anpressdruck, und bereits nach wenigen Minuten wäre das Abschrauben unmöglich. Das ist nicht bloß eine These, sondern eigene leidliche Erfahrung.
Falls man (so wie ich) zu faul ist, einen Einspanndorn aus Metall für die spätere Bearbeitung der Wirtel zu drehen, kann man dafür auch den fertiggedrehten Spulenkern mit der ebenfalls fertiggedrehten Messinghülse verwenden. In einem solchen Fall sollte die vordere Spulenscheibe erst nach dem Fertigstellen aller Wirtel angeklebt und bearbeitet werden.
Das gewählte rechtsdrehende Feingewinde M10x0,75 ist ziemlich exotisch, dabei aber leider notwendig. Sie ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen bezüglich eines möglichst kleinen Außendurchmessers (um möglichst kleine Wirkdurchmesser der Rillen zu ermöglichen) und gleichzeitig eines möglichst großen Kerndurchmessers (damit die Freibohrung bzw. der Spindeldurchmesser noch untergebracht werden können). Würde man z.B. stattdessen ein Regelgewinde M10 wählen, wäre ein Spindeldurchmesser von ¼“ (6,35 mm, typisch für Ashford) nicht mehr möglich.
Eigentlich wäre an dieser Stelle ein Linksgewinde fachmännisch richtig gewesen. Ich hatte aber Angst, dass die hier wirkenden Momente das Gewinde zu fest anziehen könnten, sodass es später nicht gelöst werden kann. Die Wirtel kann man beim Abschrauben nur an den sehr feinen Rillen anpacken, und das kann man nur mit moderater Kraft tun.
Die Wirtel
Die Wirtelkerne aus Messing müssen vor dem Einkleben in die zuvor gebohrten und plangedrehten Rohlinge aus Buche komplett fertig bearbeitet werden. Nach dem Aushärten werden sie auf den in einer Spannzange gehaltenen Spulenkern aufgeschraubt und fertig bearbeitet. Die detaillierte Vorgehensweise kann man dem Spulenthread entnehmen.
Bei dem kleinen Wirtel wären die beiden kleinsten Rillen so nahe an seinem Kern, dass Wandstärken von nur knapp 0,2 bzw. 0,7 mm entstehen würden. Es wäre illusorisch zu erwarten, dass dies auf Dauer bruchfrei im Holz möglich sein könnte. Daher hat hier der Wirtelkern aus Messing vorne einen Kragen, in den man die ersten beiden Rillen nach dem Verkleben mit dem hölzernen Rohling einsticht. Die Länge des Kragens von 5,2 mm ist so gewählt, damit am fertigen Wirtel die Antriebsschnur garantiert außerhalb der Klebefuge zwischen Holz und Messing läuft, und somit konstante Reibungsverhältnisse entlang des Umfangs der Rille herrschen. Dies erfordert neben der notwendigen entsprechenden zylindrischen Senkung im Holzrohling auch eine erhöhte Sorgfalt beim Drehen, besonders die genaue Einhaltung der Längenmaße muss man im Auge behalten.
Die Restarbeiten
umfassen die Fertigung der hinteren Lagerhülse und der beiden Spulenscheiben, die Oberflächenbehandlung und das Einpressen der hinteren Lagerhülse in den fertigen Spulenkörper. Auch hierbei handelt es sich um Teile und Vorgehensweisen, die bereits im Spulenthread beschrieben wurden.
(wird fortgesetzt)