Spulen nach dem Lego-Prinzip
Verfasst: 16.03.2021, 08:47
Die wohl überwiegend vertretene Ansicht zu der benötigten Anzahl von Spulen zu einem Spinnrad lautet: Mindestens drei, gern mehr. Spulen sind also zwingend erforderliche Zubehörteile, die optimaler Weise in einer höheren Anzahl vorhanden sein sollten. M.E. kommt noch hinzu, dass eine Spule durch ihre Laufruhe und ihre Massenträgheit auch einen ziemlich starken Einfluss auf den Spinnprozess hat bzw. zumindest haben kann. Es gibt also genug Gründe, sich damit zu befassen.
In den Tiefen des hiesigen Bastelkellers schlummert irgendwo eine Anleitung zur Herstellung von Spulen durchs Drechseln „aus dem Vollen“. Die komplette Spule mit ihrem Kern, den beiden Spulenscheiben und dem Spulenwirtel wird also aus einem Stück (Rund-)Holz herausgearbeitet, gebohrt und ggf. mit Lederlagern versehen. Diese Technologie (obwohl sie eine Traditionelle zu sein scheint – an einigen historischen Spinnrädern, die bei uns wohnen, sind solche Spulen vorhanden) hat mich auf Anhieb wenig begeistert. Neben dem ungeheueren Holzverbrauch störte mich vor allem der ungünstige Verlauf der Holzfasern parallel zur Drehachse, der kaum Festigkeit verspricht. Das folgende Foto zeigt das leider typische Aussehen bzw. den typischen Zustand einer so hergestellten Spule nach einigen Jahren Lebenserfahrung. Daher wählte ich einen gänzlich anderen Weg, der mich nach einigen Sackgassen und Umwegen zur folgenden Musterkonstruktion führte. Eine solche Spule besteht in ihrer Standardform aus vier Holzteilen, die nach dem Zuschnitt teils einzeln, teils im zusammengeklebtem Zustand in einer durch die Konstruktion teilweise zwingend vorgegebenen Reihenfolge bearbeitet werden. Diese Vorgehensweise (und – zugegeben – der damit verbundene Aufwand) dient dem Ziel, so gut wie unter Bastlerbedingungen möglich eine einwandfrei rund- wie planlaufende Spule herzustellen, die sich dazu optimal leichtgängig dreht ohne zu klappern. Konstruktiv wird dies durch die finale Bearbeitung von (fast) allen wesentlichen Flächen in derselben Einspannung sichergestellt, bezogen auf die Mantelfläche des Spulenkerns. Dies ist die sog. Referenzfläche, in der obigen Skizze durch ein „A“ bezeichnet. Lediglich die hintere Spulenscheibe wird von dem Rest getrennt gedreht, und erst zum Schluss angeklebt. Die Spulen werden komplett mit Hilfe einer Drehmaschine hergestellt, eine Drechselmaschine kann ich mir dafür aufgrund des relativ hohen Genauigkeitsanspruchs nicht vorstellen.
Hier sind die einzelnen Schritte (wie üblich, gilt fürs Nachmachen das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit):
Die Spulescheiben
werden z.B. mit einer Dekupiersäge ausgesägt, jeweils einzeln in das Dreibackenfutter (Außenbacken) gefühlvoll eingespannt und dabei durch ein sorgfältiges Andrücken gegen die Planflächen der Backen rechtwinklig ausgerichtet. Um das Zerquetschen des Holzes zu vermeiden, muss die Spannkraft deutlich geringer dosiert werden als bei Metallwerkstücken. Insbesondere bei Spulen für zweifädige Räder sollte man bei den Spulenscheiben auf ein möglichst geringes Gewicht achten. Als ein Kompromiss zwischen dem Gewicht, der Festigkeit und den Zerspanungseigenschaften wähle ich für Spulenscheiben vorzugsweise Mahagoni. Vom Gewicht-Festigkeit Verhältnis her wären vielleicht auch Rotzeder oder Birke geeignet, doch mit ihrer Bearbeitung habe ich leider bisher nicht genug Erfahrungen sammeln können. Ein zusätzlicher Vorteil von Mahagoni liegt im vorliegenden Fall in der Tatsache, dass es sich um ein wechselwüchsiges Holz handelt, bei dem die einzelnen Holzfasern miteinander verflochten sind, statt (wie ansonsten üblich) nebeneinander zu liegen. Wechselwüchsige Hölzer neigen daher etwas weniger zu Ausrissen an den Schnittkanten bei Ihrer Bearbeitung. Einen ähnlichen Vorteil hätte auch Birnbaum, der allerdings deutlich schwerer ist als Mahagoni. Dünne Brettchen aus verschiedenen Holzarten gibt es bei darauf spezialisierten Holzhändlern für Modellbauzwecke.
Anzumerken wäre noch, dass besonders bei Spinnflügeln mit den traditionell geschwungenen elliptisch verlaufenden Holmen würde die hintere Spulenscheibe in der gezeichneten Form einer dünnen geraden Ronde geometrisch bedingt viel zu klein geraten. Für eine Spule für einen solchen Flügel ist die deutlich dickere Spulenscheibe aus Eiche konzipiert, die auf einigen der Fotos zu sehen ist. Die Anfertigung von dieser Spulenscheibe läuft technologisch nach dem gleichen Prinzip. Nach dem Zentrieren werden die Scheiben gebohrt. Dabei muss (im Gegensatz zu Metallwerkstücken) stets die für Holzwerkstoffe typische Tendenz zum Ausreißen beachtet werden. Am Austritt der Schneide aus dem Holzwerkstück haben die Randfasern keinen Halt mehr durch das umgebende Gefüge, und brechen ab bevor die Schneide es schafft sie abzuschneiden. Abhilfe schaffen z.T. rattenscharfe Werkzeuge, langsamer Vorschub und kleine Spandicken. Theoretisch zählt auch eine hohe Schnittgeschwindigkeit (50-70 m/s) zu diesen Maßnahmen, doch die hat nach meinen Erfahrungen leider auch einen Einfluss auf die Maßhaltigkeit (bei hoher Drehzahl wird die Bohrung tendenziell um einige Hundertstel größer). Aus diesen Gründen benutze ich für das Bohren mehrschneidige Schaftfräser (ein Fräser kann nicht verlaufen, weil er im Gegensatz zu einem Bohrer auch auf dem Umfang schneidet), und wähle für die letzten ca. 2 bis 3 Späne kleine Spandicken und geringe Drehzahlen. Beispiel für eine 20-er Bohrung: Nach dem Zentrieren 6-er/10-er/14-er/18-er/19-er/20-er Fräser, die letzten drei bei ca. 100 bis 150 U/min.
Die Vorderkante der fertigen Bohrung wird bei niedriger Drehzahl mit einem mittelgroben Schleifpapier (Körnung ca. 280 – 320) nur vorsichtig entgratet, nicht mit einem Senker gebrochen. Die Aufmerksamkeit und Vorsicht sollte dabei nicht nur auf die Kante, sondern vor allem auf die eigenen Finger gerichtet werden, die sich bei dieser Operation in gefährlicher Nähe der scharfkantigen Futterbacken befinden. Generell gilt, dass jede (auch eine sehr kleine) Werkzeugmaschine stärker ist als ihr Bediener, und sie ist in jeder Sekunde ihres Laufs in der Lage ihn zu verstümmeln oder sogar zu töten. Die einzige Abwehr dagegen liegt in einer ruhigen, vorausschauenden und vorsichtigen Bedienung. Werkzeugmaschinen sind Raubtiere, mit den man nicht mit Erfolg kämpfen kann.
Da wir bereits bei der Arbeitssicherheit sind, noch ein Hinweis zu der für die Metallbearbeitung i.d.R. unnötigen und somit ungewohnten Absaugung. Diese soll aus zwei Gründen für die Verarbeitung von Holz unbedingt verwendet werden. Erstens, um zu verhindern, dass der Holzstaub und feine Späne in die Führungen der Schlitten eindringen und dort ähnlich verheerenden Schaden einrichten, wie es z.B. beim Korundstaub beim Schleifen von gehärtetem Stahl der Fall wäre. Der zweite, noch wichtigere Grund, ist zu verhindern, dass man den Holzstaub einatmet. Dieser ist nicht nur für die Atemwege schädlich, sondern bei Harthölzern auch krebserregend (besonders bei Eiche und Teak). Fürs Erste reicht bereits ein Haushaltsstaubsauger, besser und leistungsfähiger wäre natürlich ein Werkstattsauger.
OK, weiter. Nach dem Ausspannen wird die trotz aller Vorsicht i.d.R. immer leicht fransige Hinterkante der Bohrung manuell entgratet. Die nach außen abstehenden Holzfasern werden nach innen (in die Bohrung hinein) umgebogen, mit einem mehrschneidigen Senker abgeschnitten und mit Schleifpapier geglättet. Diese (grundsätzlich hässlichere) Kante mit einem etwa 0,3 bis 0,5 mm Kantenbruch verschwindet später im inneren des Absatzes auf dem Spulenkern, und durch den Kantenbruch wird dabei sichergestellt, dass die Spulenscheibe auf der Planfläche des Absatzes sicher anliegt. Die Maßhaltigkeit der soeben hergestellten Bohrungen ist weitgehend unkritisch. Lediglich bei der vorderen Spulenscheibe wäre eine leicht untermaßige Bohrung vorteilhaft. Dann passt sie, ggf. nach dem Aufreiben, mit einem leichten Schiebesitz auf den gezielt um einige Hundertstel dünner gedrehten Spulenkern (Näheres dazu später).
Sollte eine Bohrung trotz aller Sorgfalt um einige Hundertstel zu groß geraten, kann man versuchen sie (nur an der Bohrungswand!) mit dünnflüssigem Sekundenkleber sparsam zu benetzen. Der Kleber zieht sofort ein, und bevor er aushärtet, schafft er es die Randfasern etwas aufzuquellen bzw. einzelne Fasern nach innen in den Freiraum der Bohrung hinein aufzurichten. Es ist ein ähnlicher Vorgang wie derjenige, der eine zuvor glatte Holzoberfläche nach dem Anstrich rau werden lässt. Ein fehlerhaftes Übermaß von ca. 0,05 bis vielleicht 0,1 mm lässt sich so häufig korrigieren, i.d.R. ist eine manuelle Nacharbeit z.B. mit einer Handreibahle erforderlich.
Der Wirtelrohling
wird ebenfalls mit einer Dekupiersäge (oder mit einer Bandsäge oder ganz primitiv mit einer Laubsäge) ausgesägt. Nach diversen Versuchen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass sich für die bei uns mittlerweile üblichen mehrstufigen Wirtel eigentlich nur Buche (vorzugsweise Leimholz) eignet, weil sie das Einstechen der schon sehr feinen Wirtelrillen i.d.R. bruchfrei mitmacht. Früher habe ich vergleichbare Wirtel auch aus Eichenholz gedreht, und hatte irgendwann genug von ca. 50% Ausschuss bzw. vom Spachteln mit einem Gemisch aus Sekundenkleber und Holzschleifstaub. Das Vorbereiten (Bohren) eines Wirtelrohlings wird ähnlich gemacht wie oben bei den Spulenscheiben beschrieben, nur ist die Bohrung hier i.d.R. ein Sackloch. Vor dem Bohren ist das Überdrehen und glätten der Planfläche ratsam, weil man so die Rechtwinkligkeit der Bohrung zu dieser Planfläche sicherstellt. Die Tiefe der Bohrung und ihr Durchmesser hängen von der Außenkontur des fertigen Wirtels ab, soll heißen, dass die Klebeverbindung garantiert im Inneren des Wirtels und nicht zu Nahe an der fertigen Außenkontur liegen sollte. Weiterhin sollte die Tiefe der Bohrung um einige Zehntelmillimeter größer sein als die Länge des entsprechenden Zapfens am Spulenkern. Dieser Freiraum auf dem Grund der Bohrung ist für den Überlauf des Klebers reserviert, zusätzlich wird dadurch eine sichere Anlage des Wirtelrohlings auf der Schulter des zugehörigen Zapfens garantiert. Sehr kleine Wirtelrohlinge kann man u.U. in dem „normalen“ Backenfutter entweder gar nicht oder nur ungünstig spannen. Falls mein 125-er Backenfutter an seine Grenzen kommt, verwende ich die sog. Futter-in-Futter-Spannung mit einem kleinen 80-er (siehe Bild). Hierbei sind alle Regeln für das Spannen und Bearbeiten von wuchtigen Werkstücken zu beachten, insbesondere sollte die Maschine bei niedriger Drehzahl eingeschaltet und erst dann allmählich auf eine zurückhaltend gewählte Enddrehzahl hochgefahren werden.
Nach dem Ansenken der Bohrungskante ist auch der Wirtelrohling für die weitere Bearbeitung vorbereitet, und kann ausgespannt werden.
(wird fortgesetzt)
In den Tiefen des hiesigen Bastelkellers schlummert irgendwo eine Anleitung zur Herstellung von Spulen durchs Drechseln „aus dem Vollen“. Die komplette Spule mit ihrem Kern, den beiden Spulenscheiben und dem Spulenwirtel wird also aus einem Stück (Rund-)Holz herausgearbeitet, gebohrt und ggf. mit Lederlagern versehen. Diese Technologie (obwohl sie eine Traditionelle zu sein scheint – an einigen historischen Spinnrädern, die bei uns wohnen, sind solche Spulen vorhanden) hat mich auf Anhieb wenig begeistert. Neben dem ungeheueren Holzverbrauch störte mich vor allem der ungünstige Verlauf der Holzfasern parallel zur Drehachse, der kaum Festigkeit verspricht. Das folgende Foto zeigt das leider typische Aussehen bzw. den typischen Zustand einer so hergestellten Spule nach einigen Jahren Lebenserfahrung. Daher wählte ich einen gänzlich anderen Weg, der mich nach einigen Sackgassen und Umwegen zur folgenden Musterkonstruktion führte. Eine solche Spule besteht in ihrer Standardform aus vier Holzteilen, die nach dem Zuschnitt teils einzeln, teils im zusammengeklebtem Zustand in einer durch die Konstruktion teilweise zwingend vorgegebenen Reihenfolge bearbeitet werden. Diese Vorgehensweise (und – zugegeben – der damit verbundene Aufwand) dient dem Ziel, so gut wie unter Bastlerbedingungen möglich eine einwandfrei rund- wie planlaufende Spule herzustellen, die sich dazu optimal leichtgängig dreht ohne zu klappern. Konstruktiv wird dies durch die finale Bearbeitung von (fast) allen wesentlichen Flächen in derselben Einspannung sichergestellt, bezogen auf die Mantelfläche des Spulenkerns. Dies ist die sog. Referenzfläche, in der obigen Skizze durch ein „A“ bezeichnet. Lediglich die hintere Spulenscheibe wird von dem Rest getrennt gedreht, und erst zum Schluss angeklebt. Die Spulen werden komplett mit Hilfe einer Drehmaschine hergestellt, eine Drechselmaschine kann ich mir dafür aufgrund des relativ hohen Genauigkeitsanspruchs nicht vorstellen.
Hier sind die einzelnen Schritte (wie üblich, gilt fürs Nachmachen das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit):
Die Spulescheiben
werden z.B. mit einer Dekupiersäge ausgesägt, jeweils einzeln in das Dreibackenfutter (Außenbacken) gefühlvoll eingespannt und dabei durch ein sorgfältiges Andrücken gegen die Planflächen der Backen rechtwinklig ausgerichtet. Um das Zerquetschen des Holzes zu vermeiden, muss die Spannkraft deutlich geringer dosiert werden als bei Metallwerkstücken. Insbesondere bei Spulen für zweifädige Räder sollte man bei den Spulenscheiben auf ein möglichst geringes Gewicht achten. Als ein Kompromiss zwischen dem Gewicht, der Festigkeit und den Zerspanungseigenschaften wähle ich für Spulenscheiben vorzugsweise Mahagoni. Vom Gewicht-Festigkeit Verhältnis her wären vielleicht auch Rotzeder oder Birke geeignet, doch mit ihrer Bearbeitung habe ich leider bisher nicht genug Erfahrungen sammeln können. Ein zusätzlicher Vorteil von Mahagoni liegt im vorliegenden Fall in der Tatsache, dass es sich um ein wechselwüchsiges Holz handelt, bei dem die einzelnen Holzfasern miteinander verflochten sind, statt (wie ansonsten üblich) nebeneinander zu liegen. Wechselwüchsige Hölzer neigen daher etwas weniger zu Ausrissen an den Schnittkanten bei Ihrer Bearbeitung. Einen ähnlichen Vorteil hätte auch Birnbaum, der allerdings deutlich schwerer ist als Mahagoni. Dünne Brettchen aus verschiedenen Holzarten gibt es bei darauf spezialisierten Holzhändlern für Modellbauzwecke.
Anzumerken wäre noch, dass besonders bei Spinnflügeln mit den traditionell geschwungenen elliptisch verlaufenden Holmen würde die hintere Spulenscheibe in der gezeichneten Form einer dünnen geraden Ronde geometrisch bedingt viel zu klein geraten. Für eine Spule für einen solchen Flügel ist die deutlich dickere Spulenscheibe aus Eiche konzipiert, die auf einigen der Fotos zu sehen ist. Die Anfertigung von dieser Spulenscheibe läuft technologisch nach dem gleichen Prinzip. Nach dem Zentrieren werden die Scheiben gebohrt. Dabei muss (im Gegensatz zu Metallwerkstücken) stets die für Holzwerkstoffe typische Tendenz zum Ausreißen beachtet werden. Am Austritt der Schneide aus dem Holzwerkstück haben die Randfasern keinen Halt mehr durch das umgebende Gefüge, und brechen ab bevor die Schneide es schafft sie abzuschneiden. Abhilfe schaffen z.T. rattenscharfe Werkzeuge, langsamer Vorschub und kleine Spandicken. Theoretisch zählt auch eine hohe Schnittgeschwindigkeit (50-70 m/s) zu diesen Maßnahmen, doch die hat nach meinen Erfahrungen leider auch einen Einfluss auf die Maßhaltigkeit (bei hoher Drehzahl wird die Bohrung tendenziell um einige Hundertstel größer). Aus diesen Gründen benutze ich für das Bohren mehrschneidige Schaftfräser (ein Fräser kann nicht verlaufen, weil er im Gegensatz zu einem Bohrer auch auf dem Umfang schneidet), und wähle für die letzten ca. 2 bis 3 Späne kleine Spandicken und geringe Drehzahlen. Beispiel für eine 20-er Bohrung: Nach dem Zentrieren 6-er/10-er/14-er/18-er/19-er/20-er Fräser, die letzten drei bei ca. 100 bis 150 U/min.
Die Vorderkante der fertigen Bohrung wird bei niedriger Drehzahl mit einem mittelgroben Schleifpapier (Körnung ca. 280 – 320) nur vorsichtig entgratet, nicht mit einem Senker gebrochen. Die Aufmerksamkeit und Vorsicht sollte dabei nicht nur auf die Kante, sondern vor allem auf die eigenen Finger gerichtet werden, die sich bei dieser Operation in gefährlicher Nähe der scharfkantigen Futterbacken befinden. Generell gilt, dass jede (auch eine sehr kleine) Werkzeugmaschine stärker ist als ihr Bediener, und sie ist in jeder Sekunde ihres Laufs in der Lage ihn zu verstümmeln oder sogar zu töten. Die einzige Abwehr dagegen liegt in einer ruhigen, vorausschauenden und vorsichtigen Bedienung. Werkzeugmaschinen sind Raubtiere, mit den man nicht mit Erfolg kämpfen kann.
Da wir bereits bei der Arbeitssicherheit sind, noch ein Hinweis zu der für die Metallbearbeitung i.d.R. unnötigen und somit ungewohnten Absaugung. Diese soll aus zwei Gründen für die Verarbeitung von Holz unbedingt verwendet werden. Erstens, um zu verhindern, dass der Holzstaub und feine Späne in die Führungen der Schlitten eindringen und dort ähnlich verheerenden Schaden einrichten, wie es z.B. beim Korundstaub beim Schleifen von gehärtetem Stahl der Fall wäre. Der zweite, noch wichtigere Grund, ist zu verhindern, dass man den Holzstaub einatmet. Dieser ist nicht nur für die Atemwege schädlich, sondern bei Harthölzern auch krebserregend (besonders bei Eiche und Teak). Fürs Erste reicht bereits ein Haushaltsstaubsauger, besser und leistungsfähiger wäre natürlich ein Werkstattsauger.
OK, weiter. Nach dem Ausspannen wird die trotz aller Vorsicht i.d.R. immer leicht fransige Hinterkante der Bohrung manuell entgratet. Die nach außen abstehenden Holzfasern werden nach innen (in die Bohrung hinein) umgebogen, mit einem mehrschneidigen Senker abgeschnitten und mit Schleifpapier geglättet. Diese (grundsätzlich hässlichere) Kante mit einem etwa 0,3 bis 0,5 mm Kantenbruch verschwindet später im inneren des Absatzes auf dem Spulenkern, und durch den Kantenbruch wird dabei sichergestellt, dass die Spulenscheibe auf der Planfläche des Absatzes sicher anliegt. Die Maßhaltigkeit der soeben hergestellten Bohrungen ist weitgehend unkritisch. Lediglich bei der vorderen Spulenscheibe wäre eine leicht untermaßige Bohrung vorteilhaft. Dann passt sie, ggf. nach dem Aufreiben, mit einem leichten Schiebesitz auf den gezielt um einige Hundertstel dünner gedrehten Spulenkern (Näheres dazu später).
Sollte eine Bohrung trotz aller Sorgfalt um einige Hundertstel zu groß geraten, kann man versuchen sie (nur an der Bohrungswand!) mit dünnflüssigem Sekundenkleber sparsam zu benetzen. Der Kleber zieht sofort ein, und bevor er aushärtet, schafft er es die Randfasern etwas aufzuquellen bzw. einzelne Fasern nach innen in den Freiraum der Bohrung hinein aufzurichten. Es ist ein ähnlicher Vorgang wie derjenige, der eine zuvor glatte Holzoberfläche nach dem Anstrich rau werden lässt. Ein fehlerhaftes Übermaß von ca. 0,05 bis vielleicht 0,1 mm lässt sich so häufig korrigieren, i.d.R. ist eine manuelle Nacharbeit z.B. mit einer Handreibahle erforderlich.
Der Wirtelrohling
wird ebenfalls mit einer Dekupiersäge (oder mit einer Bandsäge oder ganz primitiv mit einer Laubsäge) ausgesägt. Nach diversen Versuchen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass sich für die bei uns mittlerweile üblichen mehrstufigen Wirtel eigentlich nur Buche (vorzugsweise Leimholz) eignet, weil sie das Einstechen der schon sehr feinen Wirtelrillen i.d.R. bruchfrei mitmacht. Früher habe ich vergleichbare Wirtel auch aus Eichenholz gedreht, und hatte irgendwann genug von ca. 50% Ausschuss bzw. vom Spachteln mit einem Gemisch aus Sekundenkleber und Holzschleifstaub. Das Vorbereiten (Bohren) eines Wirtelrohlings wird ähnlich gemacht wie oben bei den Spulenscheiben beschrieben, nur ist die Bohrung hier i.d.R. ein Sackloch. Vor dem Bohren ist das Überdrehen und glätten der Planfläche ratsam, weil man so die Rechtwinkligkeit der Bohrung zu dieser Planfläche sicherstellt. Die Tiefe der Bohrung und ihr Durchmesser hängen von der Außenkontur des fertigen Wirtels ab, soll heißen, dass die Klebeverbindung garantiert im Inneren des Wirtels und nicht zu Nahe an der fertigen Außenkontur liegen sollte. Weiterhin sollte die Tiefe der Bohrung um einige Zehntelmillimeter größer sein als die Länge des entsprechenden Zapfens am Spulenkern. Dieser Freiraum auf dem Grund der Bohrung ist für den Überlauf des Klebers reserviert, zusätzlich wird dadurch eine sichere Anlage des Wirtelrohlings auf der Schulter des zugehörigen Zapfens garantiert. Sehr kleine Wirtelrohlinge kann man u.U. in dem „normalen“ Backenfutter entweder gar nicht oder nur ungünstig spannen. Falls mein 125-er Backenfutter an seine Grenzen kommt, verwende ich die sog. Futter-in-Futter-Spannung mit einem kleinen 80-er (siehe Bild). Hierbei sind alle Regeln für das Spannen und Bearbeiten von wuchtigen Werkstücken zu beachten, insbesondere sollte die Maschine bei niedriger Drehzahl eingeschaltet und erst dann allmählich auf eine zurückhaltend gewählte Enddrehzahl hochgefahren werden.
Nach dem Ansenken der Bohrungskante ist auch der Wirtelrohling für die weitere Bearbeitung vorbereitet, und kann ausgespannt werden.
(wird fortgesetzt)