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Neue Gene

Verfasst: 23.07.2015, 09:38
von wollwolff
Hallo Ihr Lieben!

Gute gebrauchte Spinnräder sind rar, da sie selbst benutzt werden. Wenn nun ein Angebot für ein Gebrauchtrad vorliegt, sind immer irgendwelche Hintergründe, um nicht zu sagen "Macken" am Teil. Diese basieren auf Wartungsmangel, Fehlbedienung, Verschleiß oder Alter. Letztere verschwinden von alleine durch die Würmer. So verbleibt
immer eine Auswahl nach Kriterien einer guten Regenerationsbasis.

So auch in diesem Fall. Es ist ein Rad aus einem Nadelholz ( vermutlich Zirbenkiefer, Lärche o.ä.), klarlackiert schon im moderneren Aufbau.

Überholungsschritte

A
Sichten, zerlegen, reinigen, anschleifen, Ausbrüche füllen, 2x mit Hartwachsöl mit Zwischenschliff versiegeln.
B
Teile zusammenbauen, alte ungekapselte Lagergegen neue Rikula 6000ZZ austauschen, Mitnahmestift für Schwungrad verstrammen, Kurbelnietkopf zu Gewinde M6 schleifen und schneiden.
C
Verstellbock mit vorh. Gewinde M8 gängigmachen und von unten Klemmgewinde M6 in Einlegemutter Bohren, freigedrehte Holzscheibe D100mm von unten als
Fensterabdeckung und Sterngriff M6 aufsetzen.
D
Wippe vom Scharnier trennen und seitlich je 1 x 10,5 mm Bohrung einbringen, Kugelgelenk einschieben und mit M4 Senkschrauben quer fixieren. In den unteren Wippenzug
2 St. Kugelbolzen einbringen, den Tritt aufschnappen. Durch die etwa doppelt so breite neue Wippachse tritt die Wippe spielfrei.
E
Der Knecht wird unten in der vorhandenen Lederbohrung auf 6,5 mm aufgebohrt, ebenso der Tritt. An die beiden Stellen wird ein Winkelgelenk als Verbindung eingebaut.
Oben wird der Knecht bis zum Anfang des Langloches abgeschnitten. Ein aus Messingwinkel gesägtes, angepasstes Spezialteil ist nun mit 2 von hinten eingeschraubten
3mm Spaxschrauben die Verbindung zum M6 - Gelenkkopf.
Dieser mit Kugel- Gleitlager versehene Spezialkopf wird über den Kurbelzapfen gesteckt und mit etwas Spiel mit Hutmutter und Flüssig-Sicherung befestigt.
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F
Die Spinnkopf Lagerung aus Leder war erschlafft, vorne das D = 12mm - Ösenteil hing nach unten und die hintere 5mm Lederschlaufe war 20mm herausgerutscht.
Hinten konnte ich einfach die Sperrschraube herausdrehen, die Schlauf auf ca. 7mm Arbeitsabstand zurückziehen und rebefestigen.
Vorne baute ich eine Lagerung wie die Lederplatte nach, allerdings aus 8mm Pertinax ( Hartpapier, wie Resopal, mit sehr guten Lagereienschaften).
G
Den Riemenfaden ( 2 fädig) ersetzte ich aus dem bewährten 0,7mm Flachszwirn mit einem Kreuzknoten mit 2 Halbschlag als Verbund.
H
Nun verblieb noch die Organisation der 4 Reservespulen. Ich baute dafür ein Klemmbrett mit 4 Achsen und steckte es zwirnpraktisch auf den quer verlaufenden Wippenzug.

Somit habe ich alle Verschleißstellen bearbeitet, die Optik aufgefrischt und ein langes Spinnradleben sichergestellt.
Sowas lohnt sich auf jeden Fall wenn die Basis gesund ist.
Die kleinen "Blitzer" aus Stahl und Messing der modernen Maschinbauelemente sollten weniger stören, die sind nun halt DAS NEUE RAD!
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reg2.jpg
LG von Jürgen ^..^

Re: Neue Gene

Verfasst: 23.07.2015, 12:15
von spulenhalter
Schön, wenn alte Räder wieder im neuen Glanz entstehen.

Gute Arbeit.

Re: Neue Gene

Verfasst: 23.07.2015, 16:32
von Morticia
Super :gut:
Ich wünschte, ich hätte dein Know-How...

Re: Neue Gene

Verfasst: 24.07.2015, 08:36
von borekd
Eine schöne und saubere Arbeit.

Besonders gefällt mir die Trittlagerung mit zwei Winkelgelenken (hast Du es nicht an einem anderen Rad schon mal verwendet?). Wahrscheinlich war kein Wiegetritt oder Doppeltritt erwünscht, beides liesse sich sicherlich umsetzen.

Wozu sind denn die zwei (offensichtlich drehbaren) Laschen an dem Querbrett zwischen den Beinen (Bild reg4.jpg)? Bei der linken Lasche könnte ich mir vorstellen, dass sie der Klemmung des Spulenbretts dient (hält das auf Dauer?). Aber die rechte Lasche?

Gruß
Borek

Re: Neue Gene

Verfasst: 24.07.2015, 11:41
von wollwolff
Antwort auf die Frage von Boreck

Hallo, der Tritt war ja so mit der Kippachse als Bauscharnier ausgebildet. Wegen der Knechtfreiheit durch die Beine hindurch und der funktionierenden
Schwungdynamik habe ich die Wipp-Linie beibehalten. Die Winkelgelenke halten bombig, sind spielfrei und können ab/aufgeschnappt werden.

Dieses Rad hat speziell mit den Beinen eine gewollte Zerlegbarkeit. So sind die Beine oben geschlitzt und sitzen mit federnder Vorspannung sicher in der Basis.
Unten ist das Verbindungsbrett eine Arretierung für die trittführende Geometrie zweier Beine. Beide stehen leicht schrägt und die beiden "Laschen" sind
durchkonstruierte Exzenterknebel, die über ihre Nockensteigung das Fussstück durch die erzeugte Querkraft sicher verkeilen.
Jetzt kann ich auch problemlos das gesamte Rad hochheben, ohnen dass es, wie vor der Anbringung, regelmäßig auseinanderpoltert.

LG von Jürgen ^..^

Re: Neue Gene

Verfasst: 24.07.2015, 22:31
von Spinnliesel
Sehr genial!!!!

Ulrike