Zwergziegenalarm
Verfasst: 14.09.2012, 16:23
Hallo zusammen,
thaqs hatte hier im Flohmarkt zwei Spinnräder gegen Porto zu verschenken, eins davon ist gestern hier bei mir angekommen. Zusammen mit einem riesigen Berg wunderschöner, dunkelbrauner Bergschaf-Rohwolle als "Polsterung"
DANKE!
Erstmal hatte ich denselben Effekt wie Kattugla: Das Rädchen ist ja soo winzig! Schaut her:

Das Schwungrad hat einen Durchmesser von gerade mal 35cm. Gewohnt bin ich 60 cm ("Alte Schwedin", dahinter). Bei genauerem Ansehen kamen dann ein paar schöne und ein paar weniger schöne Seiten des prospektiven Herdenzuwachses ans Licht:
das Schwungrad ist zwar klein, läuft aber sehr leicht und ohne zu eiern. Knecht und Tritt sind ebenfalls zierlich, leicht und geräuschlos (Lederscharniere, Bindfadenanbindung am Knechtfuß). Flügelwirtel und Spule sind schön gearbeitet, nämlich so, dass die Spule in den Flügelwirtel ragt, das sieht einerseits hübsch aus (finde ich) und andererseits liegen dadurch die beiden Schlaufen der Antriebsschnur näher beisammen und sie oder irgendwelche Flusen können nicht dazwischenrutschen.
Das Rad muss irgendwann in seinem Leben mal als Holzwurmfarm gedient haben.
An ein paar Stellen ist zwischen den Wurmlöchern nur noch sehr wenig Holz, und das morsch. Z.B. hier an einer Speiche (man kann es sich wie einen etwas spröden, trockenen Schwamm vorstellen):

Ähnliche Vorgänge hatten auch ein paar Zapfen ruiniert: die Streben unter der Hauptplatte, das rechte hintere Bein und der vordere Flügelhalter waren betroffen. An diesen Stellen war das Rad schonmal vorher gebrochen und mit gutem Willen, viel Hoffnung und etwas Weißleim geklebt worden. Leider kann Weißleim keine Löcher überbrücken und es ist auch beileibe nicht einfach, die Brüche vernünftig zu fügen und zu pressen. Jedenfalls waren zwei dieser Stellen erneut gebrochen und die anderen wackelig. Nachdem die Streben und das Bein rausgenommen waren, konnte man sehen, dass es nichts bringen würde, die stumpf auf morsch nochmal mit Weißleim zu verleimen. Also mit dem scharfen Klauenmesser
die Leimreste und einiges an Holz bzw. Zunder abgeschnitzt und rausgepopelt, bis sich alles annähernd in die Originalposition setzen ließ. Zur Verstärkung gabs noch eine Spax-Schraube 4x40 von unten durchs Bein in die Hauptplatte und einen Nagel (Kopf abgekniffen) als Schiene im gebrochenen Flügelholm. Das ganze habe ich mit Flüssigholz (2-Komponenten-PU-Kleber bzw. -Spachtel "Ponal Duo") zusammengesetzt. Der vordere Flügelholm ist nun "fest" eingesetzt (wackeln tut das weiche Material immer noch etwas
).
Das war 'ne Rosskur, schön geht sicher anders, aber ein neues Spinnrad bauen oder kaufen kann ich vielleicht ein anderes Mal
und diese kleine Ziege hätte ich sonst wohl sofort feuerbestatten können. So sehen die Narben jetzt aus:


Damit ist das Hauptproblem fürs Erste aus der Welt. Was noch zu tun war: Die hölzernen Splinte rausklopfen und -ziehen (keiner von denen war danach noch verwertbar), Führung und Gewinde des Spinnkopf-Verschieberismus etwas reinigen und mit Teelicht einreiben, Flügelachse von verharztem Fett befreien, reichlich frisches Mehrzweckfett an Flügel-, Spulen- und Schwungradlager geben, alles wieder zusammenbauen (eine meiner kleinen Baumarktspindeln hat die neuen Splinte spendiert):

Die Antriebsschnur ist jetzt aus Küchengarn; ich hätt sie ws. gern noch dünner, mal sehen, was ich noch finde.
Aber nun zur Hauptsache: Es spinnt! Sehr leise, sehr flüssig. Wenn man sich erstmal an das hochfrequente, aber sehr zarte Treten gewöhnt hat. Der Einzug ist sehr zart einstellbar, dabei sehr gleichmäßig, obwohl der Weg des Fadens durchs Einzugsloch und über die Häkchen nicht gerade vertrauenserweckend aussieht. Die Einzugscharakteristik könnte sich durch eine weniger elastische Antriebsschnur noch etwas ändern.
Es spinnt nur hauchdünnes Garn. Für mittlere Stärken ist schon das Einzugsloch zu klein (4,5mm, ich musste mit einer Filznadel von hinten einfädeln, mein Einzughaken war zu "klobig"
) und die Spule wohl auch. Garn mit weniger Drall hinzukriegen, muss ich mal bewusst ausprobieren, bei meinen Spinnkünsten gibts immer einen gewissen, ähem, Optimierungsspielraum
.
Weiters: Die Spule werde ich nicht so schnell wieder aus- und einbauen, es hat eh nur diese eine und ich habe Haspel und Knäuelwickler. Spulenwechsel wäre vor allem für die Flügelholme zu anstrengend
. Ob ich die Oberfläche irgendwie behandeln sollte? Erstmal lieber nicht, da bröselt zu viel auseinander. Beim Spinnen staubts etwas aus den Wurmlöchern und -mehrfamilienwohnhöhlen, das wird hoffentlich mit der Zeit weniger 
Ich werde das Zwergziegenkitz am Sonntag mit zum Spinntreffen nehmen und zwei Stündchen bespielen, vielleicht auch mit einer dünneren Schnur; dann sehe ich weiter, was aus ihr wird. Erstmal überrascht es mich sehr positiv, dass man auf so einem Winzling anscheinend doch sinnvoll und recht angenehm produktiv spinnen kann.
Danke thaqs, für das schöne und lehrreiche Geschenk!
Beste Grüße -- Thomas
thaqs hatte hier im Flohmarkt zwei Spinnräder gegen Porto zu verschenken, eins davon ist gestern hier bei mir angekommen. Zusammen mit einem riesigen Berg wunderschöner, dunkelbrauner Bergschaf-Rohwolle als "Polsterung"

![zufrieden :]](./images/smilies/pleased.gif)
Erstmal hatte ich denselben Effekt wie Kattugla: Das Rädchen ist ja soo winzig! Schaut her:

Das Schwungrad hat einen Durchmesser von gerade mal 35cm. Gewohnt bin ich 60 cm ("Alte Schwedin", dahinter). Bei genauerem Ansehen kamen dann ein paar schöne und ein paar weniger schöne Seiten des prospektiven Herdenzuwachses ans Licht:




Ähnliche Vorgänge hatten auch ein paar Zapfen ruiniert: die Streben unter der Hauptplatte, das rechte hintere Bein und der vordere Flügelhalter waren betroffen. An diesen Stellen war das Rad schonmal vorher gebrochen und mit gutem Willen, viel Hoffnung und etwas Weißleim geklebt worden. Leider kann Weißleim keine Löcher überbrücken und es ist auch beileibe nicht einfach, die Brüche vernünftig zu fügen und zu pressen. Jedenfalls waren zwei dieser Stellen erneut gebrochen und die anderen wackelig. Nachdem die Streben und das Bein rausgenommen waren, konnte man sehen, dass es nichts bringen würde, die stumpf auf morsch nochmal mit Weißleim zu verleimen. Also mit dem scharfen Klauenmesser


Das war 'ne Rosskur, schön geht sicher anders, aber ein neues Spinnrad bauen oder kaufen kann ich vielleicht ein anderes Mal



Damit ist das Hauptproblem fürs Erste aus der Welt. Was noch zu tun war: Die hölzernen Splinte rausklopfen und -ziehen (keiner von denen war danach noch verwertbar), Führung und Gewinde des Spinnkopf-Verschieberismus etwas reinigen und mit Teelicht einreiben, Flügelachse von verharztem Fett befreien, reichlich frisches Mehrzweckfett an Flügel-, Spulen- und Schwungradlager geben, alles wieder zusammenbauen (eine meiner kleinen Baumarktspindeln hat die neuen Splinte spendiert):

Die Antriebsschnur ist jetzt aus Küchengarn; ich hätt sie ws. gern noch dünner, mal sehen, was ich noch finde.
Aber nun zur Hauptsache: Es spinnt! Sehr leise, sehr flüssig. Wenn man sich erstmal an das hochfrequente, aber sehr zarte Treten gewöhnt hat. Der Einzug ist sehr zart einstellbar, dabei sehr gleichmäßig, obwohl der Weg des Fadens durchs Einzugsloch und über die Häkchen nicht gerade vertrauenserweckend aussieht. Die Einzugscharakteristik könnte sich durch eine weniger elastische Antriebsschnur noch etwas ändern.
Es spinnt nur hauchdünnes Garn. Für mittlere Stärken ist schon das Einzugsloch zu klein (4,5mm, ich musste mit einer Filznadel von hinten einfädeln, mein Einzughaken war zu "klobig"


Weiters: Die Spule werde ich nicht so schnell wieder aus- und einbauen, es hat eh nur diese eine und ich habe Haspel und Knäuelwickler. Spulenwechsel wäre vor allem für die Flügelholme zu anstrengend


Ich werde das Zwergziegenkitz am Sonntag mit zum Spinntreffen nehmen und zwei Stündchen bespielen, vielleicht auch mit einer dünneren Schnur; dann sehe ich weiter, was aus ihr wird. Erstmal überrascht es mich sehr positiv, dass man auf so einem Winzling anscheinend doch sinnvoll und recht angenehm produktiv spinnen kann.
Danke thaqs, für das schöne und lehrreiche Geschenk!
Beste Grüße -- Thomas